Reporter ohne Grenzen: Russland versucht im Ausland zu zensieren

Die russische Medienaufsicht versucht offenbar, die Berichterstattung über politische Vorgänge im eigenen Land auch im Ausland zu unterbinden. Darin verwickelt ist nach Angaben von Reporter ohne Grenzen auch ein deutscher Webhoster.

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Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor will eine ukrainische Nachrichtenwebsite zensieren und hat sich dazu auch an einen Webhoster in Deutschland gewandt, um unliebsame Informationen löschen zu lassen. Das berichtet die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Deren Sprecherin Astrid Frohloff meint, ausländische Unternehmen dürften sich nicht zum Werkzeug der russischen Zensurpolitik machen lassen.

Die E-Mail, die Glavcom.ua von Hetzner bekommen haben will

(Bild: Glavcom.ua)

Die Nachrichtenwebsite Glavcom.ua hat am Dienstag einen Artikel veröffentlicht, in dem ein geplanter Marsch am 17. August in Novosibirsk "Für eine Föderalisierung Sibiriens" thematisiert wird. Glavcom.ua habe daraufhin von Roskomnadsor einen Brief mit der Aufforderung bekommen, die Informationen über den Marsch von der Seite zu nehmen.

Auch sei eine Aufforderung an den deutschen Webhoster Hetzner Online gegangen, er möge Glavcom dazu bewegen, die Informationen zu entfernen. Glavcom veröffentlichte eine E-Mail, laut der eine Hetzner-Mitarbeiterin Glavcom nicht nur auffordert, die Informationen zu löschen, sondern auch droht, die Website könne gesperrt werden, sollte Glavcom der Aufforderung nicht innerhalb von 24 Stunden nachkommen.

Hetzner habe dies mit Punkt 6.2 seiner AGB begründet, laut dem sich die Kunden verpflichten, "keine Inhalte zu veröffentlichen, welche Dritte in ihren Rechten verletzen oder sonst gegen geltendes Recht verstoßen". Nach Ansicht von ROG hat Glavcom lediglich Fakten gemeldet und nicht etwa dazu aufgerufen, separatistische Bestrebungen mit Waffengewalt zu unterstützen, was etwa in Russland verboten sei.

Gegenüber heise online wollte Hetzner dazu keine Stellungnahme abgeben. Stattdessen beschreibt das Unternehmen, was in solchen Fällen ablaufen kann: Wenn der Webhoster eine "Abuse-Meldung" bekommt, werde diese formell geprüft und dann per E-Mail an den jeweiligen Kunden weitergeleitet. Wenn der Kunde nach 24 Stunden keine Stellungnahme abgegeben oder das Problem behoben hat, bekommt er eine Erinnerung. Darin werde auch auf eine mögliche Sperrung hingewiesen, sollte der Kunde weiterhin nicht reagieren. Sollte der Kunde auch nach einer zweiten Erinnerung noch nicht reagiert haben, werde der Inhalt der beanstandeten Website geprüft und diese möglicherweise gesperrt.

Roskomnadsor hat laut ROG insgesamt 15 in- und ausländische Webseiten aufgefordert, ihre Artikel über den Marsch zu löschen, unter anderem die BBC. Sie sollte ein Interview mit einem Unterstützer des Protests von seiner russischsprachigen Seite entfernen. Es enthalte "Aufrufe zu Massenunruhen und extremistischen Handlungen". Sollte der Artikel nicht entfernt werden, müsse die BBC damit rechnen, dass ihre gesamte, russischsprachige Seite in Russland blockiert werde. Die BBC lehnte das ab. Die meisten Medien sind laut ROG der Aufforderung der russischen Zensurbehörde nachgekommen, ihre Artikel zu entfernen, so dass sie nun noch auf vier der ursprünglich 15 Seiten verfügbar seien. (anw)