Essen aus dem Drucker

Dieses Jahr kommen die ersten 3D-Drucker für Lebensmittel auf den Markt. Wird Kochen zur aussterbenden Kunst?

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Dieses Jahr kommen die ersten 3D-Drucker für Lebensmittel auf den Markt. Wird Kochen zur aussterbenden Kunst?

Cool sieht sie schon aus, die neueste Generation der Küchenmaschine: schwarze Klavierlackoptik, abgerundete Ecken, keine überflüssigen Knöpfe und Schalter, nur ein dezentes Display in der Mitte der Frontblende.

Lynette Kucsma, Mitgründerin von Natural Machines aus Barcelona, ist überzeugt: "Das ist eine Revolution in der Küche – vergleichbar mit der Einführung der Mikrowelle." Noch in diesem Jahr will das Start-up mit dem "Foodini" den weltweit ersten 3D-Drucker für die Küche auf den Markt bringen – für rund 1000 Euro. Zutaten wie Teig oder püriertes Gemüse gibt es dann in Edelstahlzylindern, die an der Spitze mit einer elektronisch angesteuerten Düse ausgerüstet sind.

Jeweils eine dieser Kartuschen wird dann in den Druckkopf eingeklinkt. Sie bewegt sich motorgetrieben auf einer programmierten Bahn, wobei der Inhalt der Kartusche auf einem Teller landet. Damit die Zutaten möglichst gleichmäßig fließen, sind die Zylinder je nach Inhalt individuell beheizbar und stehen unter Druck. Bis zu fünf Kartuschen haben im Drucker Platz. Ist beispielsweise der Teigboden für eine Pizza gedruckt, wechselt die Maschine automatisch zur Tomatensoße. Nur backen muss man noch selbst.

"Rezepte" lädt der Drucker in Form von speziellen Dateien aus dem Internet. Von "endlosen Möglichkeiten" schwärmt Kucsma und präsentiert als Beleg Fotos und Videos mit Kürbis-Gnocci und Halloween-Pizzen. Auch eine Version von Fish and Chips findet sich, wobei das Gericht allerdings kaum wiederzuerkennen ist. Die Kartoffeln besitzen die Form von achteckigen Waben, deren Inneres Fisch- und Gemüsepaste füllen. Um die Experimentierfreude ihrer Kunden noch weiter zu stimulieren, will das Unternehmen eine Online-Community aufbauen, in der die Rezept-Dateien ausgetauscht werden.

Als besonderes Goodie soll der Foodini auch einen 3D-Scanner bekommen, sodass der ambitionierte Hobbykoch allerlei Modelle in Schokolade nachdrucken kann. Wer wirklich ausgefallene Süßigkeiten produzieren will, muss allerdings ein bisschen mehr auf den Ladentisch legen: Der 3D-Druckerspezialist 3D Systems präsentierte Anfang des Jahres auf der Elektronikmesse CES zwei 3D-Drucker, die ausschließlich der Produktion von Naschwerk dienen. Der ChefJet und der ChefJet Pro sollen ebenfalls noch in diesem Jahr auf den Markt kommen – für rund 5000 beziehungsweise 10000 Dollar.

Im Unterschied zum Foodini arbeiten diese Drucker nicht mit Pasten, sondern mit Pulvern. Stellt er beispielsweise Zuckerwerk her, verteilt der Druckkopf zunächst eine dünne Schicht davon auf der Unterlage. Dann sprüht er dort, wo festes Material entstehen soll, eine bindende Flüssigkeit. Für die nächste Schicht wiederholt er das Prozedere.

So entstehen im ChefJet Pro Schicht für Schicht fußballgroße, filigrane, ineinander verwundene Knäuel aus Zuckermasse-Bändern, die mit psychedelischen farbigen Mustern verziert sind – der ChefJet "druckt" nur einfarbig. Jede Farbe steht für ein spezielles Aroma. Möglich sind auch kunstvolle Skulpturen aus Schokolade, erschaffen aus Milchpulver, Kakao, Zucker – und verfestigt mit Kakaobutter.

Auch der italienische Nudelhersteller Barilla arbeitet angeblich an einem 3D-Drucker – spezialisiert auf Pasta. Wem das Hantieren mit der Nudelmaschine zu mühsam ist, der könnte sich also schon bald Teigpatronen für den Nudeldrucker kaufen, Form und Größe der Pasta am Bildschirm bestimmen und mit der Produktion beginnen. Das Ziel des Unternehmens ist nach eigenen Angaben, 15 bis 20 Stück Pasta in knapp zwei Minuten herzustellen. Mehr, etwa Preis und Markteintritts- datum für die Maschine, ist nicht zu erfahren. Beteiligt an der Entwicklung ist zwar auch die niederländische Forschungsorganisation TNO. Aber auch dort will der Chemiker Kjeld van Bommel nicht mehr verraten "als das, was Sie ohnehin im Internet finden".

Bonbonbunte Süßigkeiten, Nudeln und Pizza – soll das die Zukunft des Kochens sein? Wer sich das Publikum auf Maker-Veranstaltungen ansieht, kann eigentlich keinen Zweifel daran haben, dass ein kulinarisches Standard-Repertoire aus Burgern, Pasta und Pizza eigentlich ganz gut zur Zielgruppe passt.

Aber alle anderen? Wo in der gesamten Lebensmittelbranche, in Restaurants, Kochsendungen sowie Zeitschriften und Büchern doch der Trend zum Hausgemachten geht – zu gesunder, biologisch wertvoller Ernährung? Bei Natural Systems ist man sich dieses Imageproblems offenbar bewusst. Das Werbevideo für den Foodini zeigt gepflegte Hände, die sorgfältig arrangiertes, professionell ausgeleuchtetes Gemüse sanft auf eine Küchen-Arbeitsplatte drapieren. Und fragt man Kucsma nach ihrem Lieblingsrezept, empfiehlt sie die Spinat-Quiche in Dinosaurierform, weil die "Ihre Kinder dazu bringt, mehr Gemüse zu essen". Die Mitgründerin von Natural Machines interessiert sich nicht nur "leidenschaftlich für gutes und gesundes Essen". Sie weiß sich auch zu verkaufen. Schließlich hat sie unter anderem als leitende Angestellte im Marketing von Microsoft gearbeitet.

Bis das Mittagessen zu Hause wirklich aus dem Drucker kommt, sind allerdings noch ein paar technische Herausforderungen zu lösen. Tomatensoße etwa enthält feine Fasern, die gern mal Düsen und Leitungen verstopfen oder Pumpen außer Betrieb setzen. "Sie können sich nicht vorstellen, was da alles passieren kann", seufzt Pascal de Grood und verzieht das Gesicht. De Grood, Gründer und Chef des Unternehmens De Grood Innovations, baut seit 2006, was er umständlich "Industrie-Anlagen für komplexe Dosierungen" von Lebensmitteln nennt. Aber eigentlich sind auch diese Maschinen schlicht Essensdrucker. Bis zum Ende des Jahres will auch De Grood eine Maschine anbieten, die "in einem Arbeitsgang" ein komplettes Menü herstellen soll. Mit Sättigungsbeilage, Fleisch und Gemüse.

Der Mann mit dem weißen T-Shirt, dem offenen Karohemd darüber, den dunkelblonden kurzen Haaren und dem breiten Lächeln ist dabei kein versponnener Nerd. Ursprünglich hat er beim Elektronikkonzern Philips und bei ASML, einem weltweit führenden Hersteller von Lithografiemaschinen für die Halbleiter-Industrie, gearbeitet. Die Erfahrungen bei der Mikrodosierung für Leiterplatten und mit "hochviskosen Flüssigkeiten" hätten ihm geholfen, den ersten Prototyp seines Druckers zu konstruieren. "In der Garage meines Vaters habe ich für 200 Euro die erste Maschine gebaut", berichtet de Grood. "Ich hatte ein kaputtes Laufband, eine leere Colaflasche als Druckgefäß für Joghurt, einen alten Laptop und meinen selbst gebauten Druckkopf. Und es hat auf Anhieb geklappt. Zumindest im Prinzip. Daraus eine industrielle Anlage zu machen, hat noch einmal sechs Jahre gekostet."