Datenschutz-Sommerakademie: Menschenrechte sind Supergrundrechte

Auf der Sommerakademie der Datenschützer und der Verfassungsschützer in Kiel waren sich die Anwesenden bemerkenswert einig: Ein Supergrundrecht auf Sicherheit gibt es nicht.

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Von
  • Detlef Borchers

Es dauerte keine drei Wochen nach der Ankündigung des Themas, da war die diesjährige Sommerakademie des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein ausverkauft. Eine Debatte über den Datenschutz "post-Snowden" und eine Abrechnung mit den Hardlinern, die die Sicherheit über alles stellen, versprachen aufregende Stunden. Doch die Referenten hielten sich zurück, selbst der Verfassungsschützer Thomas Haldewang wollte nicht die Sicherheit zu einem Supergrundrecht aufwerten. Dafür hielt der Verfassungsschutz-Vizepräsident ein Plädoyer für die Vorratsdatenspeicherung.

Schon bald nach Ankündigung des Themas war die Sommerakademie 2014 ausverkauft

(Bild: ULD)

Marit Hansen, stellvertretende ULD-Leiterin, versuchte sich an einem Überblick all der Enthüllungen, die dem Mut und der Konsequenz des Whistleblowers Edward Snowden zu verdanken sind. Die Zuhörer erfuhren von Hansens Erschütterung über die Enthüllungen, dass auch Standarisierungsgremien wie das NIST der NSA zuarbeiteten. Die ULD-Vizechefin sitzt selbst in etlichen dieser Gremien, die Sicherheitsstandards setzen.

Andreas Könen, Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), ist einer der wenigen Namen, die in den Snowden-Dateien im Klartext auftauchen. Dies liegt daran, dass das BSI von den USA aus als eigenständiger Partner im Kampf gegen den Cyberterror gesehen wird, der mit dem Information Assurance Directorate zusammenarbeitet, welches als BSI-Gegenpart direkt in der NSA integriert ist – so wie das BSI früher die Zentralstelle für Chiffrierwesen war. Könen forderte die Entwicklung einer vertrauenswürdigen Kryptographie, die alle Bürger benutzen können, und eine "digitale Autonomie" Deutschlands. Könen zeigte sich sehr angetan vom kommenden IT-Sicherheitsgesetz, das zuvor vom Veranstalter nicht sonderlich positiv bewertet wurde. Es sei ein wichtiger Anker, um Dinge wie die allgemeine Kryptographie gegen den Widerstand von Politik und Justiz anzugehen.

Für den Menschenrechtler und Snowden-Anwalt Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights ist die Debatte gerade in Deutschland viel zu sehr auf Snowden bezogen, weg von der Missachtung der Menschenrechte durch andere Staaten. "Erbärmlich finde ich es, wenn weggeschaut wird, wie etwa der bolivianische Geheimdienst Gewerkschafter foltert oder wo Menschen gefoltert werden in Ländern, denen Deutschland Überwachungstechnik geliefert hat." Für Kaleck als Mitglied von Snowdens Anwaltsteam, das gerade eine große Spende des Chaos Computer Clubs erhalten hat, hatte die allgemeine Frage der Rechtssicherheit von Journalisten und Whistleblowern klar Vorrang vor Fragen nach den Missetaten der NSA.

Ben Scott von der Stiftung Neue Verantwortung befasste sich mit der Frage, wie Datenschutz in der Post-Snowden-Welt aussehen kann. Für Scott gibt es auf der einen Seite einen "American Exceptionalism": In den USA sei man entsetzt über die NSA, aber auch stolz, dass Amerikaner hier die Besten sind. Dieser Haltung stehe der "German Exceptionalism" gegenüber, der, gespeist aus den Erfahrungen der deutschen Geschichte, die Rechtmäßigkeit der Arbeit von Verfassungsschützern und Nachrichtendienstlern in den Vordergrund stellt: "Deutschland ist Weltmeister in Legitimität". Eine Möglichkeit, aus der verfahrenen Situation herauszukommen, gebe es, wenn diese technische Führungsrolle Deutschlands im Dialog mit den USA zu einem neuen rechtlichen Rahmenwerk führen könnte, in dem etwa die USA Dinge wie die Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen übernehmen könnten.

Anekdoten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss gab der Grünen-Politiker Konstantin von Notz zum Besten. So berichtete er, wie in einer Geheimsitzung Smartphones, Tablets und Notebooks in eine Metallkiste kamen, in der dann Mozart gespielt wurde, damit kein Gerät das Geheimgespräch abhören konnte. Angesichts der ablehnenden Haltung der Bundesregierung, Snowden in den Untersuchungsausschuss einzuladen, sei eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wichtig. Dies müsse klären, ob mit dieser Haltung nicht die Rechte der Parlamentarier beschnitten werden, einen wichtigen Zeugen zu befragen. In der Podiumsdiskussion unter der Leitung des schleswig-holsteinischen Landesdatenschutzbeauftragten Thilo Weichert kam Stimmung auf, als von Notz direkt den Verfassungsschutz-Vizepräsidenten attackierte, der seine Organisation als "Dienstleister der Demokratie" darstellte. Er müsse ein demokratischer Dienstleister sein, entgegnete von Notz unter großem Beifall.

Hinter den Kulissen wurde diskutiert, wie es mit der Leitung des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz weitergeht. Gegenwärtig amtiert Thilo Weichert nur als geschäftsführender Direktor, weil zu seiner geplanten Wiederwahl im Landtag eine Stimme fehlte. In Schleswig-Holstein soll daher die Stelle neu ausgeschrieben, unter den Bewerbern einen fachlich geeigneter Kandidat gefunden werden. Auch Thilo Weichert will sich auf diese Stelle bewerben und sich dem Auswahlverfahren stellen. (anw)