NSA-Skandal: Memos beleuchten Rechtfertigung der Überwachung

Die US-Regierung hat zwei Memos veröffentlicht, die die juristische Rechtfertigung für die massenhafte Überwachung von US-Bürgern erklären sollen. Schwärzungen an entscheidender Stelle lassen eine wichtige Frage aber weiter unbeantwortet.

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In den USA wurden Dokumente öffentlich gemacht, die detaillierter zeigen, wie sich die US-Regierung die Überwachung des US-amerikanischen Internet- und Telefonverkehrs rechtfertigte. Das wichtigere der beiden Memos war bereits teilweise öffentlich und wurde nun in einer etwas weniger stark zensierten Version freigegeben. Erneut werde darin deutlich, wie schwer es der Bush-Regierung intern fiel, die Überwachung zu legitimieren, meint Patrick Toomey von der American Civil Liberties Union (ACLU), die die Herausgabe der Dokumente erreichte, gegenüber der Washington Post. Die US-Zeitung weist darauf hin, dass die Hintergründe einer massiven Auseinandersetzung über diese Legitimationsversuche weiter unklar bleiben.

George W. Bush baute die Überwachung gegen den Widerstand aus dem US-Justizministerium aus.

(Bild: White House/Eric Draper)

In dem Dokument des Office of Legal Counsel (OLC), das den US-Justizminister in juristischen Fragen berät, geht es um die Rechtfertigung von Überwachungsmaßnahmen in Folge der Anschläge vom 11. September 2001. Demnach war man im US-Justizministerium überzeugt, der Präsident habe im Rahmen eines bewaffneten Konflikts als Oberbefehlshaber (Commander in Chief) das Recht, die Überwachungsfähigkeiten der NSA innerhalb der USA einzusetzen: "Diese Vollmacht kann auch der US-Kongress nicht einschränken." Mit dieser Begründung wurde nicht nur die Sammlung und Speicherung von Telefon-Verbindungsdaten und -Inhalten legitimiert, sondern auch das Abgreifen von Internetkommunikation und den dazugehörigen Metadaten.

Der Text entstand wenige Wochen nach einer heftigen Auseinandersetzung hinter den Kulissen der US-Regierung. Aber über die genauen Hintergründe liefert er keine neuen Erkenntnisse, schreibt die Zeitung. Dabei ging es um die massenhafte Sammlung von E-Mail-Metadaten und die juristische Grundlage dafür. Im März 2004 war das OLC noch zu dem Schluss gekommen, dieses Programm sei illegal, und der stellvertretende Justizminister James Comey hatte sich geweigert, die nötige Erlaubnis dafür abzusegnen. Comey handelte dabei in Vertretung für John Ashcroft, der schwer krank im Krankenhaus lag. Doch George W. Bush wollte sich damit nicht abfinden und schickte seinen Berater Alberto Gonzales und seinen Stabschef Andrew Card ans Krankenbett des Justizministers. Sie sollten ihn auffordern, die Entscheidung zu ändern. Der ans Bett gefesselte Ashcroft weigerte sich.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Mit welcher Begründung das Justizministerium die E-Mail-Überwachung von US-Amerikanern für illegal erklärt hat, ist weiterhin unklar. Auch in dem nun veröffentlichten Memo, das letztlich doch noch eine Grundlage für die Massenüberwachung liefert, sind entscheidende Stellen geschwärzt. Für das Weiße Haus sollte sich das Problem aber auch auf andere Art erledigen: Das geheime US-Spionagegericht FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court) genehmigte die E-Mail-Überwachung wenige Wochen danach. Eigentlich eingerichtet, um über einzelne Überwachungsmaßnahmen zu befinden, legte es dabei ganze Gesetzestexte überwachungsfreundlich aus. Die Öffentlichkeit bekam davon erst im Dezember 2005 etwas mit, das fragliche Programm lief 2011 aus. Dass die massive Überwachung aber andauert, hat Edward Snowden gezeigt.

In den nun veröffentlichten Dokumententeile ist nun nachzulesen, wie die US-Regierung eine Erlaubnis zur Vorratsdatenspeicherung aus der Zeit vor dem Internet auf Metadaten der Internetkommunikation ausweitet; zur Aufklärung der offenen Fragen rund um das Geschehen tragen sie dagegen nicht viel bei. Warum das angesichts der völlig anderen Funktionsweise des Internets mindestens zweifelhaft ist, hatte bereits Ars Technica dargelegt. Während Telefonprovider zumindest in einem begrenzten Zeitraum wissen müssen, wer mit wem telefoniert (etwa aus Abrechnungsgründen), müssen die Betreiber von Internetinfrastruktur die Kommunikationspartner nicht identifizieren. Das Argument, der Kunde gebe diese Daten wissentlich weiter, greife hier nicht. Die juristischen Unterschiede, die sich daraus ergeben, könnten zur Weigerung des US-Justizministeriums beigetragen haben.

Dass die US-Regierung zur Klärung dieser Fragen beitragen wollte, ist aber sowieso zu bezweifeln. Eine naheliegendere Erklärung für die nun getätigte Teilveröffentlichung, hat die unabhängige Journalistin Marcy Wheeler parat: In den kommenden Wochen sollen im US-Kongress Gesetze debattiert werden, die die NSA-Überwachung begrenzen sollen. Das Memo, dass die US-Regierung wohl als weiterhin gültig anerkennt, soll demnach den Parlamentariern verdeutlichen, dass das Weiße Haus überzeugt ist, das Parlament habe in Bezug auf die Überwachung gar kein Mitspracherecht. So könnten allzu starke Reformen im Vornherein abgewürgt werden. (mho)