Nokia-Nachwehen: Milliardenstreit zwischen Microsoft und Samsung

Die Übernahme Nokias durch Microsoft hat Samsung so verärgert, dass sie weitere Lizenzzahlungen an Microsoft für Android-Geräte ablehnen. Nun wird prozessiert. Es gut um Milliarden.

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Inhaltsverzeichnis

Microsoft und Samsung liegen im Clinch um Lizenzzahlungen für Patente. Ausgelöst wurde der Konflikt durch die Übernahme großer Teile Nokias durch Microsoft. Samsung hat das verärgert und betrachtet bestehende Lizenzabkommen mit Microsoft als hinfällig, der Softwarekonzern hingegen besteht auf den Abkommen und hat im August eine Klage eingereicht. Diese Woche wurde die Klageschrift ohne Schwärzungen veröffentlicht (PDF siehe unten). Damit ist erstmals ersichtlich, um welche enormen Summen es geht.

Auf den ersten Blick sind es bescheidene sieben Millionen US-Dollar (aktuell rund 5,6 Millionen Euro) Verzugszinsen, die Microsoft von Samsung fordert. Doch auf den zweiten Blick sieht man, dass es ganz grundsätzlich um den Bestand der Patentlizenzen an sich geht. Samsung will sich sechs der sieben Jahre Laufzeit ersparen. Über einen Punkt sind sich die Konfliktparteien einig: Für das erste dieser sechs Jahre geht es um 1,042 Milliarden US-Dollar (aktuell rund 833 Millionen Euro).

Microsoft steht auf dem Standpunkt, dass eigene Patente durch die Betriebssysteme Android und ChromeOS verletzt werden. Daher verlangt Microsoft Lizenzgebühren von jedem, der entsprechende Geräte in Verkehr bringt. Mit den meisten großen Herstellern hat sich Microsoft geeinigt, sodass das Unternehmen nach eigenen Angaben an 80 Prozent aller Android-Geräte auf dem US-Markt mitverdient. Die Google-Tochter Motorola Mobility ist die große Ausnahme, mehrere Verfahren sind bereits geführt worden oder noch anhängig.

Mit Samsung hat sich Microsoft im September 2011 verständigt. Damals schlossen die beiden Konzerne mit einander zwei Abkommen mit einer parallelen Laufzeit von sieben Jahren. Es handelt sich um einen Lizenzvertrag und um eine Zusammenarbeitsvereinbarung. In dem Lizenzvertrag verpflichtet sich Samsung zu Zahlungen, deren Höhe vom Absatz von Android- und ChromeOS-Geräten abhängt.

Umgekehrt verhält es sich bei der Zusammenarbeitsvereinbarung. Diese verschafft Microsoft das Recht, bestimmte Samsung-Patente gegen Entgelt zu nutzen. Und Microsoft leistet einen finanziellen Beitrag, wenn Samsung Werbung für Windows-Handys macht. Lizenzvertrag und Zusammenarbeitsvereinbarung werden gegengerechnet. Jeden Sommer soll Samsung den Nettobetrag kalkulieren und, nach Prüfung durch Microsoft, bezahlen. Im ersten Jahr lief noch alles glatt.

Für das zweite Jahr übermittelte Samsung am 29. August 2013 die Aufstellung: 1.041.642.161,25 US-Dollar sollte Samsung unterm Strich zahlen. Microsoft befand das für korrekt, sodass die Zahlung am 11. Oktober 2013 fällig wurde. Doch am 3. September 2013 gab Microsoft die Übernahme von Nokias Kerngeschäft bekannt. Microsoft meint, dass auch diese neuen Konzernabteilungen Samsungs Patente nutzen dürfen, und zitiert entsprechende Passagen aus den Abkommen.

Aus Sicht Samsungs sind die Abkommen durch den Nokia-Deal aber hinfällig geworden. Also erkennt der koreanische Konzern Microsofts Forderungen nicht mehr an. Microsoft hingegen besteht auf pünktlicher Zahlung, jährlich bis 2019. In Summe sind das etliche Milliarden Dollar.

Samsung zahlte zunächst nichts, um mit 49 Tagen Verspätung dann doch die 1,042 Milliarden Dollar (abzüglich Steuern) für das Finanzjahr 2012/2013 zu überweisen – unter Vorbehalt. Sollte Samsung gewinnen, kann es dieses Geld zurückholen.

Für die 49 Tage Verzug veranschlagt Microsoft Zinsen von rund sieben Millionen Dollar. Dazu kommt der Zinseszins von Ende November 2013 bis zu dem Tag, an dem Samsung die Forderung begleichen wird. Das dürfte dauern, denn der Fall soll ab Mitte Februar 2015 vor einem Geschworenengericht verhandelt werden. Inzwischen wird schon die nächste Milliardenzahlung fällig.

Interessanterweise haben Microsoft und Samsung in den beiden Abkommen kein internationales Schiedsgericht, sondern die für den Staat New York zuständigen ordentlichen Gerichte als Entscheidungsinstanz bestimmt. Microsoft hat seine Klage auch beim Bundesbezirksgericht für das südliche New York eingebracht. Neben der Zuerkennung der Zinsen begehrt der Softwarekonzern vor allem die Feststellung, dass die Abkommen nach wie vor gültig sind und Samsung für alle sechs Jahre Lizenzzahlungen leisten muss.

Aber zuerst muss das Gericht entscheiden, dass es überhaupt zuständig ist. Denn Samsung hat sich seinerseits an die südkoreanische Wettbewerbsbehörde gewandt. Diese soll die beiden Abkommen so abwandeln, dass Samsungs Zahlungsverpflichtungen für Microsofts Android-Patente reduziert oder ganz eliminiert werden. "Damit versucht Samsung, einen Disput über kommerzielle Verträge unter US-Recht in einen koreanischen Regulierungsfall zu verwandeln", beschwert sich Microsoft in seiner Klageschrift.

Details zu Samsungs Sicht der Dinge sind bislang nicht bekannt. Der Fall heißt Microsoft v. Samsung Electronics, Docket Number 14-CV-06039, US District Court Southern District of New York.

(ds)