Das mögliche Ende eines Erfolgsrezepts

Nach dem Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen im Microsoft-Prozess steht uns möglicherweise doch eine Aufspaltung des Konzerns ins Haus.

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Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung im Microsoft-Prozess liegt nun alles erst einmal wieder in der Hand des Richters Thomas Penfield Jackson. Nach seinen deutlichen Worten in der Tatsachenbewertung vom November letzten Jahres erwarten Beobachter für Microsoft schon das Schlimmste, was der Konzern selbst immer heftigst bekämpft hat: Die Aufspaltung des Unternehmens. Dies würde das Ende für ein Erfolgsrezept bedeuten, mit dem Bill Gates seine Software-Bude zur wertvollsten Firma der Welt gemacht hat – diesen Platz machte den Redmondern erst vor wenigen Tagen der Router-Spezialist Cisco streitig.

Die Erfolgsgeschichte von Bill Gates begann vor 20 Jahren: 1980 kontaktierte der Computerriese IBM die damals noch sehr kleine und unscheinbare Softwarefirma Microsoft. Gates und sein Kompagnon Paul Allen sollten IBM das Betriebssystem für den ersten Personal Computer von IBM liefern. Gates erkannte die einmalige Chance für sein Unternehmen. Er kaufte hastig für 50.000 US-Dollar von einem Programmierer in Seattle die Rechte an einem System QDOS, benannte die Software in MS-DOS um – und legte damit das Fundament für eine in der Industriegeschichte einmalige Karriere.

Gates war sich damals bereits sicher, dass der am 12. August 1981 vorgestellte PC von IBM eine ganze Industrie begründen würde. Zwar wurde der erste Firmen-Leitspruch "A PC on every desk and in every home" bis heute selbst in den USA nicht erreicht. Dennoch sind PC mit einem Microsoft-System rund um den Globus allgegenwärtig und sorgen für stetigen Umsatz für die Gates-Firma.

Als Lieferant des Betriebssystems achtete der damals 24 Jahre alte Gates in den Verhandlungen mit IBM clever darauf, nicht die gesamten Rechte abzugeben, sondern nur auf der Basis von Lizenzverträgen zu liefern. 18 Jahre nach der Markteinführung des Personal Computers machte Microsoft 1999 allein mit seinen Betriebssystemen 8,6 Milliarden US-Dollar (16,3 Milliarden Mark) Umsatz, 44 Prozent des gesamten Umsatzes.

Zweite Säule des Geschäfts bei Microsoft sind die Anwender- Programme, vor allem das Büro-Paket Office. Es besteht aus einzelnen Programmen wie Textverarbeitung ("Word"), Tabellenkalkulation ("Excel"), Präsentation ("PowerPoint") oder Datenbank ("Access"). Der Umsatz mit den Anwendungsprogrammen und Entwicklungswerkzeugen überstieg 1999 sogar den Windows-Anteil leicht: 8,7 Milliarden US-Dollar (16,5 Milliarden Mark). Den restlichen Umsatz von zwölf Prozent (1,8 Milliarden US-Dollar) macht Microsoft mit Spielen, Hardware (Tastatur, Maus) und seinen vergleichsweise bescheidenen Online-Aktivitäten.

Zur Zauberformel von Bill Gates gehören die weit reichenden Synergieeffekte zwischen der Betriebssystemprogrammierung und der Entwicklung der Microsoft-Anwendungsprogramme. Technisch sind Windows und das Office-Paket durch Technologien wie OLE, Active X oder COM eng miteinander verbunden. Im aktuellen Windows 98 ist der Browser "Internet Explorer" Teil des Betriebssystems.

Konkurrenzfirmen wie WordPerfect oder Lotus beklagten sich immer wieder darüber, dass sie von Microsoft viel zu spät über die aktuellen Entwicklungen bei Windows informiert wurden. Sie gingen davon aus, dass die Office-Entwickler sich die notwendigen Informationen auf dem Microsoft-Campus in Redmond bei Seattle von ihren Windows-Kollegen längst besorgt hatten. Die Gates-Firma bestritt allerdings immer diskriminierende Praktiken.

Da sich das Office-Paket von Microsoft als Quasi-Standard in den Büros in aller Welt durchgesetzt hat, sind inzwischen auch die Hersteller von Windows-Konkurrenzsystemen auf Microsoft angewiesen. Apple-Chef Steve Jobs überließ 1997 Bill Gates für 150 Millionen US-Dollar sogar Anteile an Apple Computer, damit Microsoft das Office- Paket für den Apple Macintosh weiter entwickelt. Sonst hätten sich zum Höhepunkt der Apple-Krise wohl noch mehr Anwender von der damals bedrohten Macintosh-Plattform abgewendet. Und die ständig wachsende Linux-Gemeinde wartet bislang vergebens auf ein Office-Programm für ihr Betriebssystem, das es mit Microsoft Office aufnehmen kann und entsprechend populär in den Büros dieser Welt wird.

Bei einer nun wieder möglichen Aufspaltung von Microsoft geht es vor allem um die Herauslösung der Windows-Entwicklung aus dem Gesamtkonzern, um die enge Verquickung mit der Anwendungsprogrammierung aufzulösen. Eine "Baby-Bill"-Gesellschaft für Office und andere Anwendungsprogramme könnte wiederum ganz unabhängig von politischen Überlegungen ihre Produkte für alle möglichen Betriebssysteme anbieten, von Windows über Linux bis hin zum Mac OS.

In einer dritten Firma könnte das Internet-Geschäft von Microsoft zusammengefasst werden. Gates hatte vergleichsweise spät den Internet-Trend erkannt und am 7. Dezember 1995 angekündigt, dass Microsoft die PC-Plattform in das Internet integrieren möchte. Mit Milliarden-Investitionen versucht Microsoft seitdem, den Vorsprung von Firmen wie AOL auszugleichen. Inzwischen bietet Microsoft einen Internetdienst sowie Web-Angebote zu Reisen, Autos und anderen Themen an. (Christoph Dernbach, dpa) (jk)