Netzpolitik: Ritterschlags-Rüffel zum 10. Geburtstag

Vor 10 Jahren begann Netzpolitik.org damit, Nachrichten mit netzpolitischer Bedeutung zu kommentieren. Aus dem Blog ist eine Art Drehscheibe für viele Projekte geworden, die den Geburtstag munter feierte.

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Von
  • Detlef Borchers

Als die Blogger Markus Beckedahl und Jörg-Olaf Schäfers mit Netzpolitik.org begannen, leiteten sie einen Generationswechsel in der Netzpolitik ein. Die Mailingliste des Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft war eingeschlafen, die erste netzpolitische Latschdemo war gemeistert und "Freedom for Links" war nach dem ausgiebig gefeierten Sieg von Stefan Münz im Explorer-Streit auseinander gebrochen. Mit Netzpolitik, aber auch mit den fast gleichzeitig gestarteten Initiativen Wikimedia und Camapct zeichnete sich etwas Neues ab. Netzpolitik versuchte ein neues Modell des "engagierten Journalismus" zu etablieren.

Markus Beckedahl bei der Dankesrede zum 10. Geburtstag von Netzpolitik.org

(Bild: D. Borchers)

Zum Start der Geburtstagsfeier mit einer netzpolitischen Konferenz und einer Strandparty dankte Markus Beckedahl wirklich allen. Auch Wordpress, Heise und die Heiseforen wurden von ihm erwähnt. Das größte Dankeschön, von mehreren Rednerinnen und Rednern wiederholt, ging indes an Kanzleramtsminister Peter Altmeier. Dieser hatte kurz vor der Feier einen Drohbrief an die Abgeordneten des NSAUA geschrieben und sie wegen der Weitergabe von Informationen an die Medien gerüffelt. Dabei namentlich erwähnt: Netzpolitik.org. So sieht ein Ritterschlag aus. In seiner Rede führte Beckedahl aus, was Netzpolitik ausmacht, ein dauerndes Changieren zwischen Journalismus und Aktivismus, ein Journalismus mit einem festen Standpunkt in allen Fragen der Netzpolitik, ob dies nun die Software-Patente, die Vorratsdatenspeicherung oder die Netzneutralität betrifft. Man möchte gleichzeitig als Medium und als Sprachrohr wahrgenommen werden und nicht als Seite, die sich in Details verliert.

Unter der Vielzahl der höflichen Gratulationen stachen die Gesprächsrunden hervor, die sich auf ihre Weise mit dem Journalismus beschäftigten. Die Bloggerin Anne Roth, die derzeit im NSAUA arbeitet, erzählte von der Schere im Kopf, die für sie schon dann existiert, wenn sie für kleinste Honorarbeiträge schreiben muss. Der Blogger Johnny Haeusler bekannte, dass ihm angesichts des Schlagtaktes von Netzpolitik.org die Puste ausgeht: "Ich kann nicht innerhalb einer halben Stunde eine Meinung haben." Der Journalismus-Professor (und Gelegenheits-Blogger) Lorenz Lorenz-Meyer meinte, dass "mehr Langsamkeit und Behutsamkeit" angebracht seien, während Zeit-Redakteur Kai Biermann auf die These von Frank Rieger hinwies, der die netzpolitische Öffentlichkeit mit einem Stadion voller Spinner verglich und in seinem Blog schrieb: "Das Problem ist vielmehr, dass das Internet einfach zu groß geworden ist, um noch einen zivilisierten Diskurs zu ermöglichen."

von links nach rechts: Sascha Lobo, André Meister, Frank Rieger über "Unsere Anpassung an die permanente Überwachung"

(Bild: D. Borchers)

Frank Rieger war es auch, der mit Sascha Lobo und dem Netzpolitik-Autor André Meister eine Debatte darüber führte, wie sich (Netz)Politik unter den Bedingungen der zunehmenden Überwachung entwickeln kann. Lobo verwies auf den Flughafen als bestes Beispiel dafür, wie sich Menschen einer Überwachungssituation anpassen, und plädierte für eine Untersuchung, ob diese Anpassung nicht längst in anderen Bereichen passiert sei, etwa beim Verschicken leicht zu kontrollierender SMS. Rieger hielt dagegen an technischen Lösungen fest: "Der allergrößte Teil der Kommunikation kann abgesichert werden. Das wiederum bezweifelte Meister mit der Bemerkung, die Dienste würden alles unterlaufen. Einig war man sich, dass die Auseinandersetzungen um Bürgerrechte und Freiheiten die nächsten 30 bis 40 Jahre andauern werden.

In diesem Sinne wünscht auch Heise Online den Kollegen von Netzpolitik.org einen langen Atem! (gr)