CO2-Sequestrierung: Zu wenig und zu spät?

Weltweit laufen viele Projekte zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus fossilen Kraftwerken. Doch die Technik ist teuer, und von der Politik bekommt sie wenig Unterstützung.

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Von
  • David Talbot

Weltweit laufen viele Projekte zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus fossilen Kraftwerken. Doch die Technik ist teuer, und aus der Politik bekommt sie wenig Unterstützung.

Um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, so schätzen Forscher, müssten Milliarden Tonnen an Kohlendioxid aus Hunderten von fossilen Kraftwerken eingefangen werden – und zwar so bald wie möglich. Die für diese so genannte Sequestrierung nötigen Technologien werden besser und effizienter, und einige größere Projekte sind schon im Live-Betrieb. Bei der weltgrößten Konferenz zu diesem Thema, abgehalten im Oktober im US-Bundesstaat Texas, erklärten Forscher jedoch, derartige Kraftwerke seien bislang nur in wenigen Ausnahmefällen wirtschaftlich zu betreiben.

Der bedeutendste Fortschritt war zuletzt die Eröffnung des Kohlekraftwerks Boundary Dam mit 110 Megawatt Kapazität und CO2-Sequestrierung in der kanadischen Provinz Saskatchewan, gebaut vom regionalen Versorger SaskPower. Bei der Konferenz in Texas sprach der bei SaskPower für Sequestrierung verantwortliche Vice President Michael Monea mit fast religiösen Eifer über das Projekt, bei dem 90 Prozent des entstehenden Kohlendioxids abgeschieden werden. "Bauen wir mehr davon, und bauen wir sie größer, und es wird eine Wirkung auf die Welt haben – daran glaube ich", sagte er.

Bei dem Kraftwerk in Saskatchewan soll das eingefangene Kohlendioxid dazu verwendet werden, mehr Öl aus dem Boden zu befördern; diese Methode wird als Enhanced Oil Recovery (EOR) bezeichnet. Der Verkauf von Kohlendioxid für EOR-Zwecke ist einer der wichtigsten Mechanismen für die Finanzierung solcher frühen Sequestrierungsprojekte. Doch auf diese Weise wird das Klimagas nur unter die Erde befördert, wo das eigentliche Problem damit potenziell für die Ewigkeit erhalten bleibt.

"Wir können froh sein, dass es diese kommerziellen Anlagen überhaupt gibt", sagt trotzdem Gary Rochelle. Der Chemieingenieur von der University of Texas in Austin arbeitet an einem Sequestrierungsprojekt für ein Kohlekraftwerk südlich von Houston. "Ein paar Leute haben den Anfang gemacht und übernehmen Risiken, und EOR gibt ihnen die Möglichkeit dazu."

Sequestrierung bringt hohe Kosten in Form von Investitionen und weniger Effizienz mit sich: Der Bau des Sequestrierungsmoduls für das Kraftwerk in Saskatchewan kostete 800 Millionen Dollar, und für die Abscheidung des Kohlendioxids sowie dessen Komprimierung zu flüssiger Form werden 21 Prozent der Stromproduktion der Anlage verbraucht. Durch die Arbeit von Rochelle und anderen sinkt dieser Energieaufwand jedoch immer weiter, und Forscher ersinnen auch immer neue Methoden für die Abscheidung des Gases. Nach den Worten von Monea könnte aufgrund der mit Boundary Dam gewonnenen Erkenntnisse schon das "nächste Kraftwerk mit Sequestrierung für 20 bis 30 Prozent weniger gebaut werden".

China und die USA sind für ungefähr die Hälfte aller Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. In China gibt es noch keine kommerziellen Kraftwerke mit Sequestrierung, doch wie in anderen Staaten laufen auch dort mehrere Pilotprojekte. In den USA nähern sich einige größere Projekte, unter anderem in Port Arthur in Texas und in Mobile im Bundesstaat Alabama, der Fertigstellung. Das größte Vorhaben ist ein Kohlekraftwerk mit 656 Megawatt Leistung in Kemper im Bundesstaat Mississippi. Im Prinzip ähnelt es dem kanadischen Boundary Dam. Es ist aber fünfmal so groß, und die endgültigen Kosten dürften die geplanten 2,5 Milliarden Dollar um 100 Prozent übersteigen. Auch hier soll das eingefangene Kohlendioxid zur Ölförderung verwendet werden.

Um Sequestrierung voranzubringen, dürfte es erforderlich sein, Kohlendioxidemissionen von Seiten der Politik mit einem Preis zu belegen. Derzeit gibt es nichts, was die Betreiber fossiler Kraftwerke zum Handeln zwingen würde, und die Kohlebranche möchte verhindern, dass ihr Produkt teurer gemacht wird.

In diesem Bereich tut sich also wenig. Doch Julio Friedmann vom US-Energieministerium vertritt die Ansicht, dass sich auch mit anderen politischen Eingriffen viel erreichen ließe. Bereits heute können Versorger die Kosten für den Bau von Wind- oder Solarkraftwerken auf ihre Stromrechnungen aufschlagen – und das Gleiche könnte laut Friedmann bei Sequestrierungsprojekten geschehen. "Ein Preis für Kohlendioxid ist nicht die einzige Möglichkeit", sagt er.

"Auf gewisse Weise bin ich für China optimistischer", sagt Jiemin Lu, Geologe an der University of Texas in Austin. "Wenn die dortige Führung entscheidet, etwas im großen Maßstab anzugehen, wird es rasch umgesetzt und die Ressourcen werden schnell zur Verfügung gestellt. Derart großen Herausforderungen kann man in dieser Art von politischem System effektiver begegnen. Im Westen wird es immer Stillstand geben."

Die nackten Fakten sind jedoch immer noch recht düster: "Bislang haben wir hinsichtlich der Verringerung von Emissionen noch fast nichts erreicht – sie bewegen sich am oberen Ende der dazu erstellten Zukunftsszenarien. Im vergangenen Jahrzehnt hat es sogar eine Rekarbonisierung, also eine Bewegung zurück zur Kohle, gegeben", sagt David Victor, Professor für internationale Beziehungen und Leiter des Laboratory on International Law and Regulation an der University of California in San Diego. (bsc)