Comdex: Torvalds, Linux und die große Umarmung

Ein System für drahtlos kommunizierende Geräte ist laut Torvalds die nächste große Aufgabe der Linux-Bewegung.

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Von
  • Detlef Borchers

Linus Torvalds füllte den Riesensaal der Comdex-Keynotes genauso wie Bill Gates, aber im Unterschied zur grossen Microsoft-Präsentation ließ der Linux-Erfinder eine familiäre Atmosphäre entstehen. Torvalds, der von John Maddog Hall mit Tränen in den Augen vorgestellt wurde, brachte seine kleinen Töchter mit, die kräftig krakeelten und mit Opa Hall spielten -- mit Puppen, nicht mit Pinguinen. Torvalds brachte unterdessen die Krakeeler zur Ruhe, die schon bei der Erwähnung des Namens Gates losbuhten. "Linux ist nicht Anti-Windows. Linux ist einfach ein Betriebssystem, das uns allen sehr, sehr am Herzen liegt. Das wird man bei keinem anderen Betriebssytem sagen können."

In Abwandlung vergangener Präsentationen bedankte sich Torvalds einmal nicht bei den Mitmachern, sondern bei den akademischen Institutionen, ohne die es kein Linux geben würde. Im Schoße der Universitäten und Forschungseinrichtungen habe das zarte Pflänzchen Linux wachsen dürfen, ohne vom erstbesten Risikokapitalisten begossen zu werden. Für Torvalds ist die Linux-Entwicklung ein gesellschaftliches Phänomen: "Weder in der Computerindustrie noch in der Politik reicht es aus, wenn Entscheidungen von oben nach unten durchgereicht werden. Die Probleme werden immer komplexer und dynamischer, daher ist ein 'biologistischer' Ansatz wichtig, der auf selbstorganisierende, dynamische Einheiten setzt." Linux sei das einzige System, in dem ein Bug-Report in kürzester Zeit mit angehängtem Software-Patch zirkuliere, ohne dass ein Entwicklungsleiter eine Freigabe erteilt habe.

Als Zukunftsaufgabe für die Linux-Bewegung bezeichnete er die Entwicklung eines voll ausgebauten Betriebssytem für drahtlos kommunizierende Geräte aller Art. "Die Falle der halbgaren Lösungen im Stil von Windows CE muß vermieden werden. Wir müssen multimediale Plugins aller Art einbauen und dabei die Bedienung eines solch komplexen Systems so einfach wie möglich halten."

Den harten Linux-Fans präsentierte Torvalds das nächste Must-Have nach dem Plüschtier Tux: eine Pinguin-Kreditkarte, die beim Bezahlen so manche neugierige Nachfrage auslösen dürfte. Der kurzen Rede schloss sich eine längere Fragestunde an, in der Torvalds mehrfach den Fragen nach Transmeta und dem Microsoft-Prozess auswich. Zum guten Schluss drängte sich der halbe Saal nach vorne, um Linus die Hände zu schütteln. Mädchen in Pinguin-Shirts kreischten, als sie ihr Idol anfassen konnten. Das wurde von der Hauspolizei eskortiert in Schutz gebracht. Plüschtiere sind härter im Nehmen. (Detlef Borchers)/ (jk)