Pkw-Maut: Warnung vor Bewegungsprofilen durch 13-monatige Vorratsdatenspeicherung

IT-Anwälte und Datenschützer schlagen Alarm, dass mit der geplanten Infrastrukturabgabe von Jahresvignetten-Inhabern Bewegungsdaten und Fotos bis zu 13 Monate aufbewahrt würden. In der Regierung sieht man dies anders.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 256 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Pkw-Maut "konterkariert die Anforderungen der Datensparsamkeit dramatisch", meint der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar

Der Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium für ein Gesetz zur "Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen" ist nicht die ideale Frühstückslektüre. Das Papier, das mit Begründung 35 Seiten umfasst, enthält wenige klare Definitionen, dafür umso mehr undurchsichtige Querverweise. Nun ist ein Expertenstreit über die Lesart entscheidender Formulierungen und Passagen der insgesamt umkämpften Initiative entbrannt.

Ursache sind vorgesehene Möglichkeiten zum Speichern teils sehr sensibler Verkehrsdaten sowie zum Erstatten des Mautbeitrags, wenn man mit dem eigenen Auto ein ganzes Jahr lang nicht auf Bundesfernstraßen unterwegs war.

Um einen praktisch so gut wie irrelevanten Erstattungsanspruch bearbeiten zu können, würden "alle Bewegungsdaten mit allen Fotos aller Nutzer von Jahres-Vignetten bis zu 13 Monate auf Vorrat gespeichert", arbeitete der IT-Anwalt Matthias Bergt in einer ersten Analyse des von Netzpolitik.org v eröffentlichten Entwurfs heraus. Dies betreffe schier alle deutschen Autofahrer und zum Teil sie begleitende Personen.

Pkw-Maut

Erst verlangte die CSU im Wahlkampf eine "Pkw-Maut für Ausländer", dann sollte es eine Infrastrukturabgabe für alle Straßen werden. Verkehrsminister Dobrindt legte schließlich einen Gesetzentwurf vor, der eine Maut für Inländer auf Autobahnen und Bundesstraßen, für Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen vorsieht. Kontrolliert werden soll das ganze über eine elektronische Kennzeichenerfassung - dies ist aber nur einer der Punkte, die Kritiker an den Plänen bemängeln.

Bergt spielte damit vor allem auf die sogenannten Kontrolldaten an, die das Bundesamt für Güterverkehr und von ihm beauftragte private Dritte speichern dürften, um die Einhaltung der Abgabenpflicht zu überwachen. Darunter fasst das Ministerium unter anderem das "Bild eines Kraftfahrzeugs", Name und Anschrift des Fahrzeugführers, Ort sowie Zeit der Benutzung von Autobahnen und Bundesfernstraßen sowie das Kfz-Kennzeichen. Mit diesen personenbezogenen Informationen ließen sich genaue Bewegungsprofile über die anvisierten langen Zeiträume erstellen.

Die Kontrolldaten sind dem Vorhaben nach "unverzüglich zu löschen", sobald feststeht, dass die Abgabe entrichtet worden, ein Erstattungsverlangen nicht zulässig oder nicht fristgerecht gestellt oder ein Rückzahlungsantrag bearbeitet worden ist. Weiter heißt es, entsprechende Bilder und Informationen seien "unmittelbar nach dem Kontrollvorgang zu löschen, wenn das Fahrzeug nicht der Abgabenpflicht unterliegt". Von der Datenerfassung nicht betroffen sind alle Fahrer, die nicht mautpflichtig sind. Dazu gehören neben Angehörigen etwa von Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr auch Diplomaten, Besitzer von kurzzeitig gültigen Kennzeichen, Behinderte oder Halter von Elektroautos. Außen vor bleiben auch Ausländer, die Maut-Kurzzeitvignetten kaufen.

Bei Datenschützern lassen die angeführten Stellen die Alarmglocken schrillen: "Dass künftig alle Kontrolldaten der Autofahrer über mehr als ein Jahr lang gespeichert werden sollen, um die Berechtigung einzelner Erstattungsverlangen zu prüfen, erscheint völlig überzogen", erklärte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar gegenüber heise online. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass laut Verkehrsressort 99 Prozent aller Inlandshalter ihr Fahrzeug tatsächlich auf den Straßen nutzten.

Der vorliegende Entwurf "konterkariert die Anforderungen der Datensparsamkeit dramatisch", betonte Caspar. Schon die Erforderlichkeit eines elektronischen Erfassungssystems sei zunächst fraglich. Gerade eine streckenunabhängige Maut ließe sich durchaus durch eine papierene Vignette umsetzen. Aber selbst wenn man der Meinung sei, dass sich eine wirkungsvolle Stichprobenüberprüfung nur elektronisch durchführen lasse, wären Bewegungsprofile durch sofortige Löschung im Nichttrefferfall zu vermeiden.

Bestürzt zeigt sich auch Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert: "Da wird eine Überwachungsstruktur aufgebaut, die fast die gesamte Bevölkerung erfasst", beklagte er gegenüber dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Eine Speicherung der Daten über Monate hinweg sei "ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit" und verletze das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Solche Pläne seien verfassungswidrig.

Das Bundesverkehrsministerium wollte sich zu dem Sachverhalt auf Anfrage von heise online nicht äußern. Aus Regierungskreisen war zu vernehmen, dass die konkrete Kontrollpraxis keine tiefen Eingriffe in die Grundrechte der Autofahrer vorsehe. So würden bei der erstmaligen Kontrolle innerhalb der Gültigkeit einer Jahresvignette zwar etwa das Kennzeichen und der Tag der Überprüfung festgehalten. Diese Angaben könnten auch maximal 13 Monate aufbewahrt werden. Es gehe aber nur um die einmalige Feststellung der Nutzung des Netzes innerhalb des Gültigkeitszeitraums einer Jahresvignette. Diese Prozedur erfolge ausschließlich über das Kennzeichen und den Tag der Nutzung.

Zuvor hatte Bundesjustizminister Heiko Maas betont: "Die vierzig Millionen deutschen Autofahrer haben ein Anrecht darauf, dass mit Ihren Daten so sparsam wie möglich umgegangen wird." Es dürfe "keinen gläsernen Autofahrer geben". Der SPD-Politiker wandte sich damit aber vor allem gegen das Begehr von Strafverfolgern, auf die Mautdaten zugreifen zu dürfen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Datenschutz auf höchsten Niveau versprochen. Kein Bürger müsse fürchten, "dass jetzt irgendwo Profile gespeichert werden könnten".

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kündigte an, sie werde "mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut einfordern". Dies beziehe sich vor allem auf die strenge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung, sofern kein Verstoß gegen die Mautpflicht festgestellt werde. (jk)