Microsoft-Urteil noch heute Nacht

Richter Thomas Penfield Jackson will seine juristische Bewertung des Microsoft-Prozesses bereits heute Nacht nach dem US-Börsenschluss verkünden.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Richter Thomas Penfield Jackson will seine juristische Bewertung des Microsoft-Prozesses bereits heute Nacht verkünden. Nach Presseberichten, die Microsoft bestätigte, sollen die "Findings of Law" nach dem US-Börsenschluss veröffentlicht werden.

Nach der von Richter Jackson im November vorgelegten Tatsachenfestellung wird erwartet, dass Jackson sich auch in der juristischen Bewertung weitgehend der Position der Kläger anschließt. In den "Findings of Law" wird festgestellt, ob und in welcher Weise Microsoft gegen die US-Kartellgesetze verstoßen hat. Die Verkündung des Strafmaßes wird jedoch nicht vor dem Herbst erwartet. Der gesamte Zeitplan des Verfahrens ist so angelegt, dass Microsoft und das Justizministerium noch hinreichend Zeit haben werden, weiter zu verhandeln.

Mit dem Scheitern der außergerichtlichen Einigungsverhandlungen haben die Ereignisse rund um den Anti-Trust-Prozess unerwartet an Dynamik gewonnen. Die außergerichtlichen Verhandlungen haben "so plötzlich aufgehört wie eine Windows-Anwendung nach einer Fatal-Error-Meldung" spottet die Seattle Times. Die Börse reagierte heute geschockt: Die Microsoft-Aktien brachen zum Auftakt des Handels um rund elf Prozent ein und gaben im Verlauf weiter nach. Der NASDAQ-Index bewegte sich seit der Handelseröffnung stetig nach unten.

An welchem Punkt die Verhandlungen letztendlich scheiterten, wollten weder der Vermittler, Richter Richard Posner, noch die Kontrahenten enthüllen. Leicht verschnupft erklärt Posner nur, es habe in den vergangenen Wochen trotz seiner Bemühungen, die Ereignisse im Verlauf des Schlichtungsverfahrens vertraulich zu behandeln, "einige undichte Stellen und verzerrte Darstellungen" gegeben. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates erging sich in dunklen Andeutungen und erklärte, die Verhandlungen seien an der mangelnden Einigkeit zwischen der US-Regierung und den Vertretern der 19 Bundesstaaten gescheitert.

Mit dem Scheitern der Verhandlungen wird das Pokerspiel nun wieder auf andere Schauplätze verlagert. Microsoft spielt weiterhin auf Zeit und hat vorsorglich angekündigt, das Verfahren bis zum obersten Gerichtshof durchzufechten. Falls die Republikaner die Präsidentschaftswahlen gewinnen, könnten die Redmonder mit einem erheblich nachsichtigeren Anti-Trust-Departement rechnen. Der juristische Preis für diesen Zeitgewinn ist allerdings recht hoch: Die "Findings of Law" sind gerichtsnotorisch und könnten von findigen Anwälten in zahlreichen privaten Klagen als Waffe benutzt werden. Eine Welle von privaten Schadensersatzklagen gegen den Software-Riesen war von Juristen bereits nach den "Findings of Fact" erwartet worden, weil Microsoft seine Software zu überhöhten Preisen verkauft haben soll.

Die Vertreter der Anklage können ziemlich sicher darauf vertrauen, dass der Richter den juristischen Druck auf Microsoft erhöhen wird. Nach der juristischen Bewertung erwartet der Richter allerdings eine einheitliche Sanktionsforderung vom US-Justizministerium und den Vertretern der 19 Bundesstaaten. Nach diversen US-Medienberichten waren sich die Anklagevertreter zwischenzeitlich einig, dass sie eine Zerschlagung Microsoft fordern sollten. Ob die Kläger an dieser Stelle nur geblufft haben, bleibt abzuwarten. (wst)