Kommentar zu Telcos vs. Whatsapp: JA, HACKT ES?

Die europäischen Telecoms wollen WhatsApp und Co. regulieren. Da kriegt Jo Bager Schaum vor dem Mund.

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Leistungsschutzrecht für Messenger
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Freitag, kurz vor dem Wochenende. Zeit, gemächlich den Adrenalinausstoß runterzufahren und sich auf die schönen Dinge des Lebens zu freuen (oder die vermeintlich schönen: Warten wir mal ab, wie 96 heute gegen die Hertha spielt). Und dann das: Die europäischen Telecoms wollen WhatsApp und Co. regulieren. Das kann ich leider nicht in larmoyantem Ton wegkommentieren, da kommt im Vorgriff auf die Heute Show der Gernot Hassknecht in mir hoch. Stellen Sie sich die versalen Teile dieses Kommentars also gebrüllt vor.

Die europäischen Telekom-Unternehmen haben einen Brief an den neuen Kommissionspräsidenten Juncker geschrieben. Der solle doch bitte "Asymmetrien zwischen den Richtlinien für Investoren in die europäische Infrastruktur und denen für globale Internet-Konzerne" abbauen. Juncker soll etwa dafür sorgen, dass Facebook seinen Nachrichtendienst WhatsApp für andere Plattformen öffnet, damit deren Nutzer Botschaften auch an fremde Dienste schicken können. Schließlich sei es möglich, eine SMS auch in andere Netze zu versenden.

JA, HACKT ES? IHR TELECOMS HATTET ES DOCH JAHRELANG IN DER HAND, UNS BENUTZERN SELBST EINEN BRAUCHBAREN MESSENGER ANZUBIETEN. WER HAT DENN DEN ERSTEN KONTAKT ZU UNS? GENAU: IHR! ABER STATT SELBER SO ETWAS WIE WHATSAPP ANZUBIETEN, HABT IHR VIEL ZU LANGE VERSUCHT, UNS MIT SMS DAS GELD AUS DER TASCHE ZU ZIEHEN. UND ALS IHR GEMERKT HABT, DASS DAS NICHT MEHR LÄUFT, HABT IHR ES MIT EINEM FREEMIUM-ANGEBOT VERSUCHT, JOYN. EINE TOTGEBURT, ZURECHT. UND DESHALB LAUFT IHR JETZT HEULEND ZU JUNCKER? ICH FASS ES NICHT.

ÜBERHAUPT – EURE GANZE ARGUMENTATION STINKT: WAS, BITTE SCHÖN, HABEN DENN DIE INVESTITIONEN IN DIE EUROPÄISCHE INFRASTRUKTUR MIT EINEM MESSENGER-DIENST ZU TUN, DER DARAUF LÄUFT? DIE INFRASTRUKTUR BEZAHLEN WIR DOCH SCHON DURCH UNSERE GEBÜHREN, ODER? FALLS DAS NICHT REICHT, SOLLTET IHR MAL EURE KALKULATION DURCHDENKEN.

Eine Analyse von Jo Bager

Jo Bager arbeitet schon seit fast zwanzig Jahren bei c't und seit dem Start auch bei heise online. Er schreibt über Suchmaschinen, soziale Netze und Web-Dienste aller Art und ist immer wieder fasziniert davon, wie sich die IT-Branche permanent neu erfindet.

Sie wollen "Transparenz und Offenheit von Kommunikationsplattformen", Herr Höttges von der Telekom? Warum sind dann aber die SIP-Server für die IP-Telefonie der Telekom nur aus dem Telekom-Netz erreichbar, aber aus keinem anderen Netz? Warum werden Datenpakete für Ihren eigenen TV-Dienst Entertain priorisiert, für alle anderen Dienste ist das aber nicht möglich? Und warum kann ich als Mobilfunknutzer nur Spotify ohne Anrechnung aufs Datenvolumen buchen, aber keinen anderen Musik-Streamingdienst?

Es gibt also viele Möglichkeiten, Transparenz und Offenheit Ihrer Plattform vorzuleben. ABER MACHEN SIE NICHT DEN TRITTBRETTFAHRER BEI DEN PRODUKTEN INNOVATIVERER UNTERNEHMEN! DAS KLAPPT NICHT, FRAGEN SIE MAL BEI DEN ZEITUNGSVERLAGEN NACH.

Und jetzt wünsche ich allen ein schönes Wochenende. (jo)