Ferngesteuerter Flughafen

Ab 2015 sitzen die Lotsen des schwedischen Airports Örnsköldsvik 150 Kilometer von der Start- und Landebahn entfernt. Kameras und Computertechnik machen es möglich.

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Von
  • Hanns-J. Neubert

Ab 2015 sitzen die Lotsen des schwedischen Airports Örnsköldsvik 150 Kilometer von der Start- und Landebahn entfernt. Kameras und Computertechnik machen es möglich.

Örnsköldsvik, von Schweden einfach nur "Ö-vik" genannt, liegt ziemlich weitab vom Schuss. Doch gerade deshalb soll der kleine Flughafen an der nordschwedischen Ostseeküste mit der IATA-Kennung "OER" zum ersten ferngesteuerten Flughafen der Welt werden.

Noch überwacht ein leibhaftiger Lotse in Ö-vik, ob die Fernsteuerung des halben Dutzend täglicher Flüge reibungslos klappt. Anfang 2015 aber wird er mit seinen Kollegen den Platz hinter den Panoramafenstern des Towers verlassen und das Lotsenteam im 150 Kilometer südlich gelegenen Flugplatz Midlanda bei Sundsvall verstärken.

Dort zeigen 14 große, in einem Halbrund angeordnete 55-Zoll-Bildschirme den virtuell-realen Ausblick vom Lotsenturm in Ö-vik. Die Fluglotsen sehen und hören alles genau so, als wären sie vor Ort. Die Informationen stammen von 14 fest ausgerichteten, hochauflösenden Videokameras, die zusammen ein 360-Grad-Bild des kleinen Provinzflughafens und seiner näheren Umgebung liefern. Auf dem Dach sitzen zudem zwei PTZ-Kameras, die mit ihren Schwenk- (Pan), Neige- (Tilt) und Zoomfunktionen als virtuelle Ferngläser dienen.

Hochempfindliche Mikrofone zeichnen den Schall der startenden und landenden Flieger in Stereoqualität auf, eine Reihe weiterer Sensoren die genauen Wetter- und Winddaten. All diese Informationen leitet ein Glasfaserkabel verschlüsselt und in Echtzeit zu einem fensterlosen Operator-Raum in Sundsvall. Dort wird zudem geprüft, ob sich jemand unterwegs an ihnen zu schaffen gemacht hat.

"Am Anfang war es schon komisch", sagte der Lotse Per Granquist der "New York Times". Aber nach zwei Wochen sei es wirklich nicht viel anders gewesen als im Tower von Örnsköldsvik. Um die Sicherheit vor allem für die dunklen Wintertage und bei Schneestürmen zu erhöhen, sollen in Ö-vik demnächst noch lichtempfindlichere Nachtsicht-kameras installiert werden. Für die Bildschirme im Sundvaller Operationsraum ist sogar eine Augmented-Reality-Lösung geplant: eine computergestützte Erweiterung, die etwa den Verlauf des Runways und der Parkstreifen in das Echtzeitbild einblendet, wenn Schnee-gestöber die Sicht behindert.

Der Rüstungs- und Technologiekonzern Saab – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Automarke – hat die gesamte Fernsteuertechnik im Auftrag der staatlichen Luftfahrtbehörde LFV installiert.

Die schwedischen Fluglotsen, die alle bei LFV angestellt sind, stehen der neuen Entwicklung durchaus positiv gegenüber. Denn kaum einer ist heute noch bereit, zu einem eher langweiligen Dienst irgendwo weit weg in die Tundra versetzt zu werden. (bsc)