WLAN für große Distanzen

Karlsruher Forscher wollen Fernsehfrequenzen nutzen, um eine kostengünstige Internet-Abdeckung auch für ländliche Regionen zu ermöglichen.

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Karlsruher Forscher wollen Fernsehfrequenzen nutzen, um eine kostengünstige Internet-Abdeckung auch für ländliche Regionen zu ermöglichen.

Bei Datenfunknetzen gibt es große Unterschiede: Während ein WLAN mit kleinem Abdeckungsbereich ohne Zulassung von jedermann installiert werden darf, benötigt man für ein LTE-Mobilfunknetz eine teure Lizenz, die etwa in Deutschland derzeit nur drei Firmen haben, nämlich Telekom, Vodafone und O2/E-Plus. Forscher am Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun vorgeschlagen, die Grenzen zwischen streng regulierten und offenen Funknetzen einzureißen.

Ihre Idee ist ein sogenanntes Super-WiFi-Netz, bei dem freiwerdende TV-Frequenzen um 700 MHz nicht an kommerzielle Anbieter gehen, sondern diese der Bevölkerung und Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das Band hätte den Vorteil, dass es eine deutlich größere Reichweite bietet als die derzeit bei WLAN eingesetzten 2 GHz. Damit ließen sich gegebenenfalls mehrere Kilometer überbrücken lassen.

Versuchsanordnung: Forscher des KIT hatten 2013 auch einen Rekord bei der drahtlosen Datenübertragung vermelden können.

(Bild: KIT)

Damit die Teilnehmer nicht wild durcheinander funken und sich gegenseitig behindern, soll Super-WiFi mit einer eingebauten automatischen Sendeleistungsanpassung kommen. Doch selbst in Städten, in der viele WLAN-Netze existieren, ließe sich die Reichweite ausdehen, so die KIT-Experten um Arnd Weber vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS).

"Die Realisierung unseres Ansatzes hätte weitreichende Folgen. Personen, Institutionen und Unternehmen wären bei ihrer digitalen Kommunikation in viel geringerem Maße auf teure Mobilfunknetze angewiesen. Darin sehen wir nicht zuletzt auch einen großen gesamtwirtschaftlichen Nutzen", meint Weber. Schon die Öffnung der bisherigen WLAN-Frequenzen im letzten Jahrhundert habe gezeigt, dass Anwender und Unternehmen die neuen Möglichkeiten innovativ für neue Produkte nutzten, "neben den drahtlosen Computernetzwerken etwa auch kabellose Lautsprecherboxen und Kameras, Garagenfernbedienungen, Funketiketten, Babyphones, Bluetooth und vieles mehr".

Das Problem: Bislang sieht alles danach aus, dass auch die freiwerdenden TV-Frequenzen wieder wie gehabt versteigert werden. Das bringt auch dem Staat Einnahmen, was dessen Motivation senkt, Bänder einfach zu verschenken.

Auch Smartphones und Tablets könnten per "Super-WiFi" abgedeckt werden.

(Bild: KIT)

ITAS-Mann Weber fordert, möglichst bald eine breite und weltweite Debatte zu führen, wie Regierungen mit dem Thema umgehen. Alternativ ließen sich die Frequenzen auch für die Vergrößerung der Reichweite staatlicher Fernsehkanäle nutzen, anstatt sie teuer an Mobilfunkanbieter zu versteigern, sagt er – nur die Debatte wird bislang nicht geführt.

Allerdings widerspricht, das räumen Weber und sein Kollege Jens Elsner, der früher am Communications Engineering Lab des KIT arbeitete, ein, die Freigabe eines knappen Gutes wie Funkfrequenzen gängigen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien. So sagte schon der Nobelpreisträger Ronald Coase, dass begrenzte Güter optimal zu nutzen seien, wenn zuvor Nutzungsrechte definiert und diese dann am Markt veräußert würden.

WLAN-Router wie dieser dienen normalerweise der Nahbereichsversorgung.

(Bild: AVM)

Allein, im Mobilfunkmarkt sind die Kunden nur teilweise gut mit diesem Ansatz gefahren. Zwar sanken lange die Preise, doch gerade im so wichtigen mobilen Internet tun sie das nur zögerlich. So werden etwa nach wie vor keine echten Pauschaltarife angeboten und die inkludierten Datenvolumina in Deutschland sind gering, eignen sich nur eingeschränkt für Multimedianutzung. Hinzu kommt, dass der Trend wieder zu einer Marktverengung geht – immer weniger Großunternehmen teilen sich das Geschäft mit Angeboten, die sich zunehmend angleichen. Ein freies WLAN mit größerer Reichweite wäre hier wesentlich zukunftsträchtiger, auch weil es ein Stückweit die Anarchie früher Internet-Tage, die sich durch schnelle Entwicklungssprünge auszeichneten, wieder hervorholen könnte.

Weber und Elsner glauben zudem, dass moderne Verfahren, die eine Überlastung freigegebener Frequenzen vermeiden helfen, die Coasesche Theorie überdecken könnten. Zudem ließen sich bestimmte Bereiche reservieren – für wirklich kritische Dienste. (bsc)