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Was war. Was wird. Über Esel, den Gang der Welt und die daraus resultierende Verzweiflung

Nachrichten vom Untergang des Abendlandes sind etwas verfrüht. Was aber ist dieses Abendland? Möglicherweise die Welt, über deren Gang man nur verzweifeln kann, mutmaßt Hal Faber.

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Was war. Was wird. Über Esel, den Gang der Welt und die daraus resultierende Verzweiflung
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Weihnachten, dieses Fest der Liebe liegt hinter uns, der Untergang des Abendlandes konnte gerade noch einmal abgewehrt werden. Ochs und Esel in ihren Ställen sind versorgt, und was das Wunder des Gebärens angeht, ist dies der Coca-Cola Peepshow überlassen. Die Weihnachtslieder sind verstummt, nur einem Kanarienvogel bekam das Fest überhaupt nicht. Niemand musste Yussuf "the Cat" Islam singen, leider auch niemand das Lied vom gläsernen Menschen im Visier der NSA, das uns Udo Jürgens hinterlässt. R.I.P. Oh heul mir den Fluss voll, weil Joe Cocker auch gegangen ist. Angeblich war es die Lunge, doch wenn man liest, wer Brite des Jahres geworden ist, bekommt man Zweifel: Man kann auch an Verzweiflung über den Gang der Welt sterben.

*** Dieser Dreck, der in in ganz Europa mit kräftigem "Payback" der ach so klugen Presse terminus post quem Schirrmacher hochgespült wird, reizt zu weiteren Kommentaren. Aber nach zwei Runden würde der IT-Aspekt, dass Pegida ein mit Leserreportern und üblen Randfiguren garniertes Facebook-Problem ist, den Vorwurf der Kurzatmigkeit kassieren. Vielleicht bleibt es noch übrig, Schrödingers Ausländer zu erklären, die da mit Spaziergängen in Dresden bekämpft werden: Sie nehmen uns den Job weg und kassieren alle Sozialleistungen. Die Kontinuität ist bedrückend: Der Hass ist immer der Hass auf den sozial Schwächeren. Man muss bedauern, dass für eine Analyse dieses Formates kein Platz mehr im Geheimdienst-fixierten Chaos Computer Club ist: Das nur zur Kritik an der letzten Wochenschau.

*** Zu den IT-Weihnachtsgeschenken, die leichte Irritationen unter den Weihnachtsbäumen und Mistelzweigen hervorrief, gehörte die Nachricht von Google an Wikileaks, dass man Daten über einen Wikileaks-Mitarbeiter herausgeben musste. Es kann eigentlich nur ein schlechter Weihnachtsscherz von Wikileaks nach diesem Buch sein, dass Mitarbeiter noch Google-Mail nutzen oder überhaupt genutzt haben. Nach dieser ebenfalls zum Fest der Liebe getwitterten Werbung für Slur ist es möglicherweise die bittere Wahrheit verwirrter Leute oder ein ganz, ganz schlechter Scherz. Die Macher, die sich selbst als Wikileaks 2.0 verstehen, haben den Slogan "Die Wahrheit gehört dem, der sie bezahlen kann", programmatisch umgesetzt. Ein größerer Abstand zu den Zielen und Werten von Wikileaks ist kaum denkbar.

*** Nein, Nordkorea ist nicht das Wikileaks der Filmindustrie geworden. Wenn diese Analyse stimmt, erfolgte der Angriff aus Japan und dürfte ein Insider-Hack gewesen sein. Die Tat einem Staat anzuhängen, liegt im Interesse von Hacker-Firmen, die im Auftrag von Staaten arbeiten. Das eine App zum Film angeboten wird, in der ein Trojaner das Online-Banking aushebelt, ist nur passend schmückendes Beiwerk. Der zur Weihnachtsdebatte um den Weltfrieden hochstilisierte Film hat sich als ein derart schwaches Machwerk entpuppt, das andere Theorien etwa über einen Marketing-Trick von Sony mit Pustefix gemalt sind. Wer sich den Unsinn ansehen will, ist ausreichend gewarnt. Der Rummel um den Film erfasste selbst US-Präsident Obama, der es bislang nicht geschafft hat, sich den ungleich wichtigeren Film Citizenfour anzusehen. Zu den Nachrichten gehört darum auch die Anzeige eines US-Bürgers gegen Citizenfour, weil Filmemacherin Laura Poitras zusammen mit Edward Snowden und Glenn Greenwald dem US-amerikanischen Volk schweren Schaden zugefügt haben soll. Scheinbar Whistleblower und Journalisten, hätten sie alles getan, um aus dem Material ihren Profit zu erwirtschaften.

*** Whistleblower als geldgeile Profiteure abzuwerten, ist keine neue Strategie. Interessant ist, wie in dieser Woche mit dem Wort von der Snowden-Hysterie eine der ältesten Ausgrenzungen der Welt bemüht wird, ausgerechnet im Rahmen des US-europäischen Cyber-Dialoges. Im deutschen Kontext wird Hysterie gerne in der Pegida-Diskussion benutzt, um die sachliche Diskussion zu betonen, die man bittschön führen sollte. Die sachliche Diskussion zu den bislang bekannten Snowden-Dokumenten stört die Politik wie die Medien mit ihren Häppchen aus dem Fundus der Dokumente. Weniger als 1% sind bis jetzt veröffentlicht worden. Die histrionische Inszenierung geht weiter. Vielleicht kommt 2015 ein weiteres Prozent hinzu. Gute Aussichten, schlechte Aussichten.

Was wird.

Aus, aus und vorbei? Aber nicht doch. Das Jahr ist noch gar nicht zu Ende, der 31C3 hat gerade erst angefangen, die Antworten auf die Snowden-Enthüllungen zu suchen: Die Hysterie schlägt in ihr Gegenstück um, die Euphorie, wenn "im Auftrag von ZEIT ONLINE" Fotografen und Hacker gemeinsam versuchen, die Hände von Politikern zu fotografieren, nur um anschließend zu behaupten, dass Geheimdienste das mit hoher Wahrscheinlichkeit machen. Die lustigen Geschichten um das SS7-Netz und das kaputte UMTS verdienen es, wenigstens einmal technisch sauber dargestellt zu werden. Etwa so, wie vor 10 Jahren Thomas Maus die damals bekannten Ansätze zur elektronischen Gesundheitskarte nach allen Regeln der IT-Sicherheit zerlegte. Es ist so eminent wichtig, genau zu sein und nicht die Spekulationen und die daraus entstehenden Meldungen zu favorisieren, die prompt davon fantasieren, dass von der Leyens Fingerabdruck geknackt ist.

So sind die Berichte, dass alte Kassen-Karten in ein paar Tagen nicht mehr funktionieren, völliger Quatsch, weil es nach wie vor sonstige Kostenträger gibt, die an der herkömmlichen KVK-Karte festhalten oder auf eine eGK ohne Foto umsteigen: Die MitarbeiterInnen von Bundespolizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst genießen dieses Privileg. So könnte der Eindruck entstehen, dass hier wegen der leidigen Fotos problemorientiert vorgegangen wird. Aber ach, es ist der schlichte Kostendruck, auch bei den Kassen, die jetzt Karten ohne Bild raushauen, um ihr Quorum zu erfüllen. Derweil rummst es im deutschen Gesundheitssytem ganz gewaltig, weil der "Anti-Mehdorn" angesagt ist, wie an manchen Orten zu lesen ist: "Die vorgesehenen Ausgaben für die Gematik GmbH in Höhe von über 57,6 Mill. € bzw. 1,09 € für jedes Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für 2015 belegte das Gremium mit einem „Sperrvermerk“." Gezahlt wird nur, wenn der oberste eGK-Projektleiter der Gematik, Professor Arno Elmer, geht. Er hat wohl zuviel über die "Autobahn des Gesundheitswesens" geredet, die angeblich steht, während die wichtigen IT-Spezialisten reihenweise den Dienst bei der Gematik quittierten. Für den 2015 anstehenden Test der elektronischen Gesundheitskarte könnte der Zahlungsstopp der gesetzlichen Kassen ein Desaster darstellen.

Noch ist das Jahr übrigens nicht vorbei. Das Jahresend-WWWW steht auf dem Programm, mit der Analyse der Klicks und Pageviews, die schöne Überraschungen bereit hält. Auch die Vorschau auf 2015 ist schwer angesagt, immerhin ist es das "Ada-Lovelace-Jahr", mit besonderer Betonung auf der Rolle der Frauen in der IT: "Am Anfang war Ada", doch Grace Hopper und Nadia Magnenat Thalmann folgten. Und dann "gewinnt" eine Frau bei Facebook einen Manager-Posten, im Jahre 2014. Was ist übrigens mit Frauen in der IT bei den Geheimdiensten und in der Kryptoanalyse bei CIA und NSA? Das ist ein Thema seit Adelaide Hawkins, was Adelaine Hawkins seinerzeit prompt selbst dementierte. (jk)