IT-Unternehmen sorgen sich um Ruf Dresdens

Anstatt als High-Tech-Standort macht Dresden mit der Pegida-Bewegung von sich reden. In den nächsten Wochen soll es trotz Spaltung weitere Demos geben. Unternehmer und Wissenschaftler reagieren besorgt.

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Wafer-Chips

(Bild: Infineon)

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Von
  • dpa

Unternehmer Heinz Martin Esser ist oft im Ausland unterwegs. Egal, wo er hinfährt, mit wem er spricht – meist bekommt er derzeit die eine Frage zu hören: "Was ist denn bei Euch in Dresden los?" Esser, Präsident des Branchenverbands Silicon Saxony, spricht von einem "negativen Label", das Dresden anlaste. Momentan sorgt die Stadt – bekannt eigentlich als Wissenschafts- und High-Tech-Standort sowie europäische Halbleiter-Hochburg – weltweit für andere Schlagzeilen: mit Tausenden, die für die islamkritische Pegida-Bewegung auf die Straße gehen, und mit Flüchtlingen in Angst.

Auch wenn das asylkritische Bündnis nach internen Streitereien um fremdenfeindliche Äußerungen von Gründer Lutz Bachmann nun gespalten ist, wollen beide Seiten weiter montags in Dresden demonstrieren. Die nächsten Kundgebungen sind für den 9. Februar angemeldet.

"Unternehmen sorgen sich um den Ruf der Stadt", sagt Esser mit Blick auf die aktuelle Situation. Im Mikroelektroniknetzwerk Silicon Saxony sind rund 300 Firmen mit etwa 40.000 Mitarbeitern vereint. "Wir sind eine global arbeitende Industrie mit Beziehungen in die ganze Welt", sagt Esser. Er berichtet von Kollegen aus dem Ausland, die in Dresden arbeiten und im Moment ein "mulmiges Gefühl" haben. Gerade große Unternehmen wie Infineon und Globalfoundries seien auf ausländische Fachkräfte angewiesen. "Wir müssen den Ruf der Stadt schnell wiederherstellen", fordert Esser. Dafür sei es wichtig, dass Politiker und Bürger wieder miteinander ins Gespräch kommen.

Die Anfragen, die von den Unternehmen an ihn herangetragen werden, seien "von großer Sorge geprägt", sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Betroffen seien Fachkräfte, Studierende, Wissenschaftler, "alle, die gerade das Gefühl haben, nicht sicher sein zu können". Er versichert: "Diese Sorgen nehmen wir sehr, sehr ernst." Schließlich sei es der Auftrag der Politik, "für ein Klima zu sorgen, in dem man angstfrei leben kann".

Die High-Tech-Firmen geben sich zurückhaltend: "An unserem Standort arbeiten mehr als 50 Nationalitäten zusammen. Auf diese Vielfalt sind wir stolz, denn sie bereichert uns, nicht nur in fachlicher Hinsicht", erklärt eine Sprecherin des Chip-Herstellers Globalfoundries. Das Unternehmen beschäftigt in Dresden mehr als 3700 Mitarbeiter, darunter mehr als 250 internationale Kollegen.

Der Eindruck, den Pegida und der radikalere Ableger Legida insbesondere im internationalen Raum hinterlassen, kann nach Einschätzung von Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Dresdner ifo-Institut "verheerend" für die sächsische Wirtschaft sein. Kurzfristig könnten die Proteste vor allem den Tourismus treffen, mittelfristig aber die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland erschweren. Das gelte umso mehr, je länger die Proteste dauerten.

Anthony Hyman ist einer der Direktoren des Dresdner Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik. An der renommierten Einrichtung forschen 500 Mitarbeiter aus 53 Nationen. "Unsere Arbeit braucht ausländische Experten", sagt Hyman. Diese nach Dresden zu locken, sei derzeit nicht so einfach. "Weil der Ruf im Ausland geschädigt ist." Aktuell arbeitet Hyman daran, ein neues internationales Team zusammenstellen, um weiter zum Thema Parkinson zu forschen – internationale Wissenschaftler zögern.

Hyman spricht von einer "irrationalen Angst". Auch Mitarbeiter aus dem eigenen Haus fragten sich derzeit, ob sie hier willkommen seien. Dresden konkurriere mit Wissenschaftsstandorten in der ganzen Welt: "Als Stadt müssen wir um ausländische Fachkräfte kämpfen."

Gewerkschaften und Arbeitgeber in Sachsen distanzierten sich in einem Schreiben jüngst zwar nicht namentlich von Pegida, sprachen sich aber für ein weltoffenes Sachsen aus. "In sächsischen Unternehmen haben extremistische Bestrebungen und jede Form der Fremdenfeindlichkeit keinen Platz", hieß es in einem gemeinsamen Schreiben von DGB und der Vereinigung Sächsischer Wirtschaft (VSW). (hob)