Quantencomputer-Rennen geht in neue Phase

Neben kleinen Forschungsgruppen arbeiten immer mehr große Konzerne an der Entwicklung von Quantencomputern. Mit dabei: Microsoft und die Bell Labs.

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Quantencomputer-Rennen geht in neue Phase

Mit diesem System wird der Quantenprozessor in einem D-Wave-Rechner bis fast zum absoluten Nullpunkt herungergekühlt.

(Bild: D-Wavs Systems)

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Das Rennen um den ersten praxistauglichen Quantencomputer geht in die nächste Phase. Neben kleinen Forschungsgruppen arbeiten immer mehr große Konzerne an solchen Systemen. Mit dabei sind zwei Unternehmen, die vielen als Dinosaurier der Branche gelten: Microsoft und die Bell Labs. Das berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

Der bislang einzige Hersteller von kommerziellen Quantencomputern ist D-Wave Systems. Ob die D-Wave-Rechner, deren Prozessoren mit Qubits aus supraleitenden Schleifen arbeiten, aber wirklich quantenmechanische Eigenschaften nutzen, ist noch immer nicht eindeutig bewiesen. Zudem setzt das Unternehmen auf das Prinzip des "adiabatischen Quantencomputer“. Einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber klassischen Rechnern bringt ein adiabatischer Quantenrechner aber nur bei sogenannten Optimierungsproblemen.

Google testet seit 2013 einen D-Wave-Rechner – belässt es aber nicht dabei. Im Herbst 2014 hat sich Google mit John Martinis von der University of California Santa Barbara zusammengetan und in der Nähe der Uni ein Labor eröffnet, das einen eigenen Quantenprozessor entwickeln soll. Martinis arbeitet seit mehr als zehn Jahren an Systemen mit Qubits aus supraleitendem Metall und gilt in der Community als einer der führenden Experten auf diesem Gebiet. So hatten die ersten supraleitenden Qubits nur eine Lebensdauer von einigen hundertstel Mikrosekunden. Durch beharrliche Arbeit an den Herstellungsprozessen konnte Martinis Gruppe die Lebensdauer bereits auf 30 Mikrosekunden verhundertfachen.

Im Juli 2014 verkündete IBM, in den kommenden fünf Jahren drei Milliarden Dollar in die Erforschung von "Post Silizium"-Technologien stecken zu wollen. Ein Teil dieses Geldes – wieviel verrät IBM nicht – geht in die Entwicklung von Quantencomputern, deren Erforschung der Konzern in den letzten Jahren stetig ausgebaut hat.

Mittlwerweile ist mit Microsoft aber noch ein weiterer Spieler im Rennen. Das Unternehmen heuerte 1997 den Mathematiker Michael Freedman an, der - zunächst nur rein theoretisch - an einem topologischen Quantencomputer arbeitet. Der unschätzbare Vorteil: Dessen Qubits wären unempfindlich gegen die meisten Störeinflüsse.

Seit 2012 ein Team von Forschern um den niederländische Physiker Leo Kouwenhoven gemeldet hatte, es hätte zum ersten mal so genannte Majorana-Fermionen nachgewiesen, baut Microsoft die Forschungsarbeit der "Station Q"-Abteilung weiter aus. Auch Bob Willett von den Bell Labs in New Jersey arbeitet am topologischen Quantencomputer. Auch er will solche Quasi-Teilchen in einer Elektronenfalle aus hochreinen Gallium-Arsenid-Kristallen nachgewiesen haben. Wer das Rennen machen wird, ist offen.

Friedrich Wilhelm-Mauch, Professor für Quanten- und Festkörpertheorie an der Universität des Saarlandes, ist jedoch nicht unzufireden mit dem Interesse großer Konzerne an der Quantencomputer-Forschung. „Die prinzipielle Machbarkeit der Technologie wurde gezeigt“, sagt er. „Nun geht es darum, die Technologie weiter zu verbessern.“

Wissenschaftlich wäre es zwar oftmals nicht sehr reizvoll ein System "in der zweiten oder dritten Nachkommastelle" zu verbessern. Technisch könnte das aber entscheidend sein. "Ich bin ein nichtgläubiger Optimist", sagt der Physiker. "Fast zehn Jahre haben die Kollegen gebraucht, um einzelne supraleitende Qubits herzustellen und zu kontrollieren. Und seit 2009 sehen wir enorme Fortschritte auf diesem Gebiet. Es gibt keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte". (wst)