Enttäuschende Internet-Berichterstattung aus dem US-Wahlkampf
Das Internet sollte den Wahlkongress der Republikaner zum Auftakt der heißen Phase des Wahlkamps um die US-Präsidentschaft radikal verändern. Doch die Revolution fand nicht statt.
Die Revolution fand nicht statt. Das Internet sollte den Wahlkongress der Republikaner zum Auftakt der heißen Phase des Wahlkampfs um die US-Präsidentschaft so radikal verändern wie es das Fernsehen vor 50 Jahren tat. Doch die groß angekündigte Berichterstattung rund um die Uhr war enttäuschend. Die im Internet übertragenen daumengroßen Videobilder vom Parteitag waren meist verwackelt, und die Leitungen brachen oft zusammen. Auch mit der Aktualität haperte es. Selbst auf der offiziellen Webseite der Republikaner wurde der Auftakt des Kongresses verschlafen.
Groß angekündigt waren unter anderem die 360-Grad-Kameras der Webseite Pseudo.com, die Internet-Nutzern nie dagewesene Einblicke liefern sollten. Doch viele Interessierte scheiterten am ersten Tag bei dem Versuch, die Bilder zu laden. Zudem mussten erst mehrere Zusatzprogramme in den Computer geladen werden, bevor die Kamera ihren Dienst tat. Dann ließen sich die Kameras zwar leicht mit Hilfe der Maus steuern und lieferten auch Bilder aus jedem Winkel, doch sie erinnerten in ihrer Qualität an die Fernsehaufnahmen der ersten Mondlandung. Die Aufnahmen waren daumengroß, zu dunkel und ließen nur gelegentlich Personen erkennen. Zudem gab es keinerlei Ton. Auch die im Netz live übertragenen Reden der Delegierten konnten qualitativ nicht überzeugen, boten aber immerhin die Möglichkeit, sich auch die Reden anzusehen, die von den meisten Fernsehsendern nicht übertragen wurden. Ein Plus waren auch die Texte der Reden, die sehr schnell ins Netz gestellt wurden und damit jederzeit abrufbar waren. In den zahlreichen Chatrooms hielt sich die Beteiligung eher in Grenzen. Auch die vom Diskussionsforum speakout.com angekündigte Live-Umfrage zu den Reden fand wenig Begeisterung. Nach Angaben der Zeitung USA Today beteiligten sich bis zum Abend des zweiten Tages gerade einmal 546 Personen an den Umfragen.
Ein großes Problem stellte für die zahlreichen Webseiten die Aktualisierung ihres Angebots dar. Zwar arbeiteten diesmal fast tausend Online-Journalisten auf dem Parteitag, doch in mehreren Fällen boten die Texte alte News. So vermeldete die Webseite der Republikaner noch Stunden nach Beginn des Parteitages, dass "wenige Tage" vor Beginn nun die letzten Vorbereitungen für den Kongress liefen. Ansonsten verwiesen die Republikaner auf ihrer Webseite gopconvention.com auf die 360-Gradkamera von Pseudo.com. Die meisten Webseiten hatten allerdings auch mit dem selben Problem zu kämpfen wie viele Fernsehsender. Es gab nur wenig Spannendes vom Parteitag der Republikaner zu berichten, da alle Entscheidungen wie die Wahl des Präsidentschaftskandidaten bereits vorher gefallen waren. Das dürfte sich für die Internet- Nachrichtendienste ebenso negativ ausgewirkt haben wie für die großen Fernsehsender.
NBC, ABC, und CBS verzeichneten auch in diesem Jahr wieder einen deutlichen Zuschauerrückgang. Dabei hatten sie ihre tägliche Berichterstattung von der Convention auf nur noch 30 bis 60 Minuten weiter zurückgeschraubt und die Politik ihren Nachrichtenablegern im kostenpflichtigen Kabelnetz überlassen. Die ersten Tage des Wahlkongresses wurde in diesem Jahr nur von sechs bis acht Prozent der Zuschauer gesehen – 1992 waren es noch über 20 Prozent. Die Demokraten wollen nun Mitte August auf ihrem Parteitag alles besser machen. Sie kündigten an, dass sie für ihre Webseite dems2000.com bis zu zehn 360-Grad-Kameras aufbieten, um den Kongress komplett abzudecken. Auch die Internet-Nachrichtendienste dürften dann eine neue Chance haben, bei der Berichterstattung zumindest eine Evolution in kleinen Schritten einzuleiten. Auch die erste Fernsehberichterstattung von den US-Parteitagen vor 50 Jahren hatte schließlich nicht alle Zuschauer auf Anhieb überzeugt. (Thomas Müller, dpa) (jk)