Damit sollten Sie rechnen

Datenanalysten können heute mithilfe ausgefeilter Algorithmen sehr konkret Vorhersagen treffen – vom nächsten Einbruch über Kündigungen bis hin zur Wirksamkeit von Medikamenten. Doch damit wird es immer schwerer werden, die Privatsphäre zu schützen.

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Von
  • Christian Buck

Datenanalysten können heute mithilfe ausgefeilter Algorithmen sehr konkret Vorhersagen treffen – vom nächsten Einbruch über Kündigungen bis hin zur Wirksamkeit von Medikamenten. Doch damit wird es immer schwerer werden, die Privatsphäre zu schützen.

Zürich und Umgebung gehören selbst in der wohlhabenden Schweiz zu den reicheren Gegenden – kein Wunder, dass so viel geballter Reichtum auch professionelle Einbrecher anlockt. Seit einiger Zeit leben die betuchten Bürger dort aber messbar sicherer: Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Zürich sank im Winter 2013/2014 um 14 Prozent, in manchen Gebieten nahm sie sogar um rund 30 Prozent ab.

Der Mann, dem das zu verdanken ist, heißt Michael Schweer. Er betreibt im armen Oberhausen das „Institut für musterbasierte Prognosetechnik“ (IfmPt). Im Jahr 2000 begann der Sozialwissenschaftler mit kriminalistischen Forschungen, und ihn bewegte immer wieder die gleiche Frage: Wie kann man die begrenzten Kapazitäten der Polizei besser nutzen und gezielt zu den Brennpunkten der Kriminalität bringen? Mittlerweile hat Schweer eine Antwort auf die Frage, und die lautet „Precobs“. Schweers Software heißt nicht von ungefähr wie die drei hellsichtigen Medien aus dem Hollywood-Klassiker „Minority Report“ – denn ähnlich wie die „Precogs“ aus dem Film von Steven Spielberg kann auch Precobs Verbrechen vorhersagen. Zwar nicht so punktgenau wie im Kino, aber immerhin präzise genug, um die Zahl der Wohnungseinbrüche in Zürich deutlich zu reduzieren.

Es sind Beispiele wie dieses, die uns eine Ahnung davon vermitteln, welche Möglichkeiten Vorhersagen auf der Basis von Big Data bereits bieten und künftig noch eröffnen werden. Vor allem zeigt es aber: Nach dem Wetter und den Börsenkursen ist jetzt auch die präzise Vorhersage menschlichen Verhaltens in Reichweite von „Predictive Analytics“. „In der Marktforschung steht ein disruptiver Wandel bevor: Dank sozialer Netzwerke und intelligenter Algorithmen kann man jetzt das Verhalten von Konsumenten täglich und quasi in Echtzeit analysieren“, erklärt Dirk Hecker, Abteilungsleiter Knowledge Discovery am Fraunhofer-Institut für intelligente Analyse- und Informationssysteme in Sankt Augustin bei Bonn. Hinzu kommen Prognosen über die Pläne von Kriminellen und sogar Versuche, Konflikte innerhalb oder zwischen Staaten vorherzusagen.

Doch die Entwicklung wirft völlig neue Fragen auf: Soll die Polizei künftig Verdächtige verhaften, bevor sie überhaupt eine Straftat begangen haben? Wird die Weltgemeinschaft Blauhelme in eine Region entsenden, nur weil ein Computer den Ausbruch eines Konfliktes vorhergesagt hat? Und könnten Versicherungen bald die Gesundheitsdaten ihrer Kunden dazu verwenden, um risikobasierte Tarife anzubieten?

Die Fokus-Artikel im Einzelnen:

Seite 86 - predictive analytics: Die Kunst, aus Vergangenem die Zukunft vorherzusehen

Seite 91 - Kriminalität: Per Datenanalyse Straftätern das Handwerk legen

Seite 94 - Krieg und Frieden: Konfliktanalyse – ein System mit Eigendynamik

Seite 96 - Wetter: Supercomputer liefern sichere Wettervorhersagen – manchmal!

Seite 98 - Verhalten: Menschliches Handeln lässt sich damals wie heute nur schwer erfassen

(wst)