Iran: Der Machtkampf um Informationen

Die Iranische Revolutionsgarde geht mit mehreren Projekten gegen Nutzer sozialer Netzwerke vor und demonstriert ihre Macht: Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten beunruhigen die Hardliner im Staat. Bisher wehrt sich die Regierung Rohani aber gegen Forderungen nach strengerer Internetzensur.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Parisa Tonekaboni
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Die Iranische Revolutionsgarde will stärker gegen soziale Netzwerke vorgehen. Das gab das Zentrum zur Untersuchung der organisierten Cyberkriminalität, eine Abteilung der Revolutionsgarde, am vergangenen Sonntag bekannt. Facebook soll demnach nicht mehr für "organisierte Aktivitäten" und jene, die "unmoralische Inhalte produzieren", sicher sein.

Projekt Spinne nennen die Gardisten ihre Aktion. Sie wollen gezielt Internet-Nutzer, die aus ihrer Sicht unmoralische, unislamische und subversive Inhalte verbreiten, identifizieren. Mehrere Verhaftungen hatte es Ende Januar dieses Jahres gegeben. Zu der Anzahl und Identität der Beschuldigten gibt es dabei kaum Informationen. Manche iranische Quellen sprechen von 36 Administratoren und mehr als 300 Facebook-Seiten. Ihnen werde unter anderem Blasphemie und Anstiftung zur Straftaten vorgeworfen.

Kritik an Ayatollah Khamenei wird scharf verfolgt.

(Bild: Seyedkhan, CC BY-SA 4.0 )

Blasphemie ist im Iran eine schwere Anschuldigung und kann ein Todesurteil zur Folge haben. Zuletzt war der Facebook-Aktivist Soheil Arabi der "Beleidigung des Propheten" angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Er wurde 2013 verhaftet und ist seit dem im Teheraner Evin-Gefängnis. Arabi griff in den Texten, die er auf Facebook verbreitete die iranische Führung und insbesondere Ayatollah Khamenei scharf an.

Dem Zentrum zur Untersuchung der organisierten Cyberkriminalität zufolge sollen in den kommenden zwei Monaten ähnliche Projekte für soziale Netzwerke und internetbasierte Kommunikationsdienste wie Instagram, Viber und WhatsApp umgesetzt werden. Bereits in den vergangenen Jahren ist diese zunehmende Einbeziehung der Revolutionsgarden in die Kontrolle des Internets im Iran zu beobachten.

Der Zugang zu Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken ist seit den Unruhen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Sommer 2009 im Iran gesperrt. Die alleinige Mitgliedschaft bei Facebook ist zwar nicht strafbar, allerdings ist die Nutzung von VPNs zu Umgehung der staatlichen Zensur nicht erlaubt. Obwohl also die Verbreitung und Verwendung von Proxys unter Strafe steht, gehört es für die meisten Internetnutzer zur Normalität solche einzusetzen. Darüber nutzen mehrere Millionen Iraner Facebook und andere verbotene Netzwerke.

In den vergangenen Jahren und mit dem Einzug von Smartphones in den iranischen Markt, genießen auch VoIP-Apps wie Viber und Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp eine wachsende Popularität. So kamen immer mehr neue Kommunikationsräume ins Spiel, die außerhalb der Kontrolle des iranischen Staates lagen. Der Minister für islamische Kultur und Führung Ali Jannati gab selbst Anfang Februar 2015 bekannt, fast zehn Millionen Iraner nutzten Viber. Die schnelle Verbreitung solcher Kommunikationsmöglichkeiten unter den iranischen Nutzern beunruhigt jedoch die religiösen Hardliner.

Im vergangenen Jahr verbreitete sich etwa eine Welle von diversen Witzen über einen schiitischen Imam und Nachfolger des Propheten sowie von satirischen Texten über den Gründer der Islamischen Republik Ayatollah Khomeini durch Smartphone-Apps gerade unter jungen Iranern. Es folgte eine große Aufregung, Verhaftungen und zahlreiche Stellungnahmen von Politikern, die eine Blockade solcher Apps forderten. Ultrakonservative iranische Politiker fordern bereits seit längerem ein härteres Vorgehen gegen soziale Netzwerke beziehungsweise strengere Kontrollen. Sie betrachten neue Kommunikationsnetze als umstürzlerische Instrumente des Westens und Israels.

Im April 2014 berichteten iranische Medien dann, die Blockierung von WhatsApp sei beschlossen worden. Über die Internetzensur entscheidet das "Komitee für die Bestimmung krimineller Inhalte", das unter anderem aus Vertretern des Geheimdienstes, des Justiz- und des Kommunikationsministeriums sowie der Polizei besteht. Vertreter des Komitees sagten, sie seien bemüht mit besonderer Software nur "kriminelle Inhalte" zu blockieren. Die Regierung befürwortet diese Art der Zensur, das sogenannte "Smart Filtering". Der Zugang zum unerwünschten Netzwerk würde dabei nicht komplett gesperrt.

Hassan Rohani ist seit 2013 iranischer Präsident.

(Bild:  Mojtaba Salimi, CC BY-SA 3.0 )

Seit der Entscheidung gegen WhatsApp gab es viele widersprüchliche Meldungen. Präsident Rohani hat sich gegen die Bloackde des Messengers gestellt. Kommunikationsminister Mahmoud Vaezi ergänzte, man brauche Zeit, um solche ausländischen Dienste durch im Iran entwickelte Apps zu ersetzen. Die Justiz hingegen beharrte auf einer Umsetzung der Entscheidung und kritisierte die Regierung scharf.

Ähnlich lief das Verbotsverfahrens gegen Viber ab. Zuletzt setzte die Justiz der Regierung im September 2014 eine einmonatige Frist, um Viber, WhatsApp und Tango zu sperren. Dagegen wehrten sich Regierungsvertreter. Die widersprüchliche Meldungen über mögliche Zugangssperren gehen deshalb bis heute weiter. Das ist mehr als ein Indiz dafür, dass sich unterschiedliche Kräfte im Staat über den Umgang mit den neuen Kommunikationsmitteln nicht einig sind.

Vor der Präsidentschaftswahl 2013 hatte Hassan Rohani unter anderem die Lockerung der Internetzensur versprochen. Viele hatten gehofft, dass zumindest Facebook aus der schwarze Liste der geblockten Seiten verschwindet. Immerhin waren Rohani und einige Mitglieder seines Stabs selbst auf Facebook aktiv und erfreuten sich der neuen Möglichkeiten des Wahlkampfs im Netz.

Große Veränderungen bei der Internetzensur hat es seit 2013 jedoch nicht gegeben, große Ankündigungen und Auseinandersetzungen jedoch viele. Der Kommunikationsminister Vaezi versprach beispielsweise vor einem Jahr eine baldige Verzehnfachung der Verbindungsgeschwindigkeit. Die wird als staatliche Maßnahme begrenzt, um die Kontrolle zu verbessern. Deshalb lassen langsame Verbindungen die Internetnutzung für viele Iraner zur Geduldsprobe werden. Auch wenn sich die Äußerungen des Ministers nicht verwirklicht haben, fühlten sich einige Ultrakonservative provoziert und attackierten Vaezi scharf.

Bereits im April 2009 hatte ein Vertreter der Revolutionsgarde erklärt, die Gardisten würden gegen jedwede Art "antireligiöser, antikultureller und umstürzlerischer" Internet-Aktivitäten vorgehen. Woher die Revolutionsgarde die Legitimation hat, solche Aufgaben zu übernehmen, ist unklar. In der Gesetzgebung ist zumindest keine juristische Grundlage für die Beteiligung der Revolutionsgarde in diesem Bereich vorgesehen. Reporter ohne Grenzen hat die Gründung des Zentrums zu Untersuchung der organisierten Cyberkriminalität im Jahr 2008 als widerrechtlich bezeichnet. Offiziell jedenfalls ist die iranische Polizeiorganisation Fata für die Bekämpfung der Internetkriminalität zuständig.

Die Revolutionsgardisten, die zu den Hardlinern des iranischen Staates gehören, setzten dennoch in vielen Bereichen ihre Interessen durch. Besonders nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl von 2009 begann die Revolutionsgarde, hart gegen Regierungsgegner vorzugehen. Darüber hinaus wurden seit 2009 wiederholt Webseiten gehackt, die von Regimegegnern betrieben wurden. Die Hacker hinterließen dann eine Nachricht unter dem Namen "die iranische Cyberarmee".

Nach Meinung vieler Beobachter gehört eine derartige Verbreitung von Angst zur einer gezielten Strategie des iranischen Staates. Genauso wie die unklaren und dehnbaren Formulierungen in den iranischen Internetgesetzen die Nutzer verunsichern sollen, versucht auch die Revolutionsgarde durch Massenverhaftungen ihre Macht zu demonstrieren. Die Regierung von Präsident Rohani hüllt sich unterdessen in Schweigen. (mho)