UN-Generalsekretär fordert Ende der Gewalt im Iran

Ungeachtet aller Einschüchterungen und eines Demonstrationsverbots demonstrierten am Montag erneut Oppositionelle in Teheran gegen die umstrittene Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

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  • dpa

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat ein Ende der Gewalt im Iran verlangt. In einer Erklärung forderte er die Regierung in Teheran auf, sofort die Verhaftungen, Drohungen und die Anwendung von Gewalt zu stoppen. Er sei bestürzt über die Ereignisse nach den Präsidentenwahlen vom 12. Juni. Das gelte vor allem für das staatliche Vorgehen gegen Zivilisten, sagte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs.

Im Iran gibt es seit den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni heftige Auseinandersetzungen, da die Opposition dem Regime Wahlfälschung vorwirft. Der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte nach offiziellen Angaben bei der Wahl fast 63 Prozent der Stimmen erhalten, der Oppositionskandidat Mir Hussein Mussawi kam lediglich auf knapp 34 Prozent. Auf die Demonstrationen der Opposition reagiert die iranische Regierung, ihre Sicherheitskräfte sowie die Revolutionsgarden und Freiwilligen-Milizen mit zunehmender Härte und Gewalt; die Zahl der Toten auf Seiten der Opposition soll bereits bei 18 bis 25 liegen. Da das iranische Regime die unabhängige Berichterstattung weitgehend unterdrückt, organisiert sich die Opposition teilweise spontan auf den Straßen und, solange der Zugang möglich ist, über Webseiten, Social Networks und Dienste wie Twitter.

Ban rief nun die iranische Regierung auf, die fundamentalen zivilen und politischen Rechte, vor allem die Meinungs-, die Versammlungs- und die Informationsfreiheit, zu respektieren. Regierung und Opposition sollten ihre Differenzen friedlich im Dialog und unter Beachtung der Gesetze lösen. Er hoffe, dass der demokratische Wille des Volkes voll respektiert werde.

Das Foto soll einen Trauerprotestzug am Montag in Teheran zeigen.

(Bild: Mousavi1388)

Rund 1000 Oppositionelle protestierten ungeachtet aller Einschüchterungen und eines Demonstrationsverbots am Montag nach Augenzeugenberichten in Teheran gegen die umstrittene Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Berichte, wonach Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen seien, ließen sich wegen des anhaltenden Berichterstattungsverbotes nicht bestätigen.

Die Revolutionsgarden und Freiwilligen-Milizen, die überall in der Stadt postiert waren, kontrollierten Verdächtige und befragten sie. Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und seine Gefolgsleute hatten für Montag bewusst nicht zu Demonstrationen aufgerufen, grundsätzlich aber zur Fortsetzung der Proteste aufgefordert. Laut iranischem Staatsfernsehen PressTV waren am Montag nur 200 Demonstranten auf den Straßen. Die Kundgebungen hätten sich angesichts des Sicherheitsaufgebotes schnell aufgelöst.

Die Ahmadinedschad nahestehenden Revolutionsgarden hatten gedroht, sie würden mit aller Härte vorgehen und jeden nicht genehmigten Protest gegen den Ausgang der Wahl auf "revolutionäre Weise" niederschlagen. Die Endergebnisse des Urnengangs sollen am Mittwoch bekannt gegeben werden.

Am Samstag war es in der iranischen Hauptstadt zu schweren Zusammenstößen von Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen, bei denen mindestens zehn Menschen getötet wurden. Unter den Toten war auch vermutlich die inzwischen im Internet zur Ikone des Widerstands gewordene 19-jährige Neda. In Social Networks hieß es, Neda sei von einem Scharfschützen der berüchtigten und Ahmadinedschad nahestehenden "Basidsch"-Milizen tödlich getroffen worden, während sie mit ihrem Vater die Proteste beobachtete. Die Echtheit der Aufnahme und die geschilderten Umstände konnten jedoch nicht nachgeprüft werden.

Neda Agha-Soltan wurde nach unbestätigten Informationen in aller Stille beigesetzt. Ein Mann, der sich als Verwandter der Getöteten bezeichnete, erklärte am Montag in einem Telefongespräch mit dpa, die junge Frau sei im engsten Familienkreis beerdigt worden. Die Identität des Mannes konnte nicht bestätigt werden. Eine Trauerfeier für die Verstorbene in der Moschee sei untersagt worden.

Die Anzeichen für einen Machtkampf in der iranischen Führungselite hinter den Kulissen verdichteten sich. Unter anderem soll es sich nach Ansicht von einigen Beobachtern auch bei den Meldungen, der Wächterrat habe Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen festgestellt, eher um ein taktisches Angebot an die Opposition zu Verhandlungen gehandelt haben – was dann aber, nachdem die Opposition nicht darauf einging, prompt wieder zurückgezogen wurde. Ein Sprecher des Wächterrats sagte am Montag, die angeblich festgestellten Unregelmäßigkeiten seien nicht das Prüfergebnis des Wächterrates, sondern lediglich der Vorwurf der drei unterlegenen Kandidaten. In der Islamischen Republik Iran ist der Wächterrat ein mächtiges Kontrollorgan. Seine Mitglieder prüfen alle vom Parlament vorgelegten Gesetze, ob sie mit den islamischen Grundsätzen übereinstimmen. Außerdem hat er bei allen politischen Entscheidungen von Tragweite das letzte Wort.

Die arabische Zeitung "Al- Sharq Al-Awsat" berichtete unter Berufung auf "hochrangige" Informanten im Iran, der frühere Präsident Ali Akbar Rafsandschani führe seit Tagen in der Stadt Qom, dem religiösen Zentrum des Landes, intensive Gespräche mit einflussreichen Geistlichen. Er versuche sie für einen Plan zu gewinnen, mit dem die Macht des obersten geistlichen und weltlichen Führers des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, beschnitten werden könnte.

Angesichts anhaltender Kritik aus dem Westen am Vorgehen Teherans nach der Wiederwahl Ahmadinedschads erwägt der Iran die Ausweisung europäischer Diplomaten. Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte am Sonntag eine Überprüfung der Beziehungen vor allem zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich gefordert, den drei Staaten, die im Streit um das iranische Atomprogramm die Verhandlungen für die EU führen.

Berlin wies die Kritik zurück. Es sei absolut keine Einmischung, wenn auch Deutschland die Einhaltung der Menschenrechte, die Demonstrations- und Meinungsfreiheit sowie die Freilassung inhaftierter Oppositioneller fordere, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Für das Auswärtige Amt sind die Vorwürfe nach Angaben eines Sprechers "nicht nachvollziehbar". Großbritannien zog alle Angehörigen seiner Diplomaten aus dem Iran ab. Berlin sah von einem solchen Schritt zunächst ab.

Die EU-Ratspräsidentschaft in Prag äußerte sich besorgt über die anhaltende Gewalt in Teheran. Die EU forderte, Zweifel an der Wiederwahl Ahmadinedschads aufzuklären. "Es liegt bei ihnen (den Iranern), die Glaubwürdigkeit ihres politischen Prozesses zu beweisen", sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt am Montag in Brüssel. Bildt führt von Juli an bis zum Jahresende den Vorsitz im EU-Außenministerrat.

Die russische Regierung stärkte dagegen demonstrativ Ahmadinedschad den Rücken. Der Präsident sei nach offiziellen Angaben wiedergewählt worden. Russland achte den Wählerwillen des iranischen Volkes, hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums.

Siehe dazu auch:

  • Übersicht über Informationsquellen zu den Auseinandersetzungen im Iran, zusammengestellt von der BBC

(dpa) / (jk)