"Demokratie ist uns wichtiger als Tabellenkalkulationen" - c't im Gepräch mit John Riccitiello

John Riccitiello übernahm vor kurzem den Chef-Posten bei Unity und schlug ein 2-Milliarden-Dollar-Angebot von Google und Amazon aus. In Interview mit c't erklärt der ehemalige Chef von Electronic Arts seine Gründe und warum für Unity die Virtual Reality mehr als nur ein Hype ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.

Die Unity-Engine ist die wohl am meisten genutzte Engine für Computer- und Video-Spiele. Von den weltweit produzierten Mobilspielen für Smartphones und Tablets, die eine fremde Engine benutzen, basieren rund die Hälfte auf Unity. Hinzu kommen Browser-, PC- und Konsolen-Spiele. Mit Unity 5 hat der Hersteller just eine neue, wesentlich erweiterte Version veröffentlicht und vor allem die grafischen Darstellungsmöglichkeiten verbessert. Anlässlich der Neuvorstellung auf der Game Developers Conference in San Francicsco sprachen wir mit dem frisch gebackenen CEO von Unity Technologies, John Riccitiello, und befragten ihn zu den Verkaufsgerüchten, der Explosion neuer Virtual-Reality-Anwendungen und Unitys Rolle außerhalb der Spiele-Industrie.

Als Chef von Electronic Arts sammelte John Riccitiello lange Jahre Erfahrungen in der Spiele-Industrie, bevor er Ende 2014 die Leitung von Unity Technologies übernahm.

(Bild: c't)

c't: Herr Riccitiello, im Herbst haben Sie die Position des CEO von David Helgason bei Unity Technologies übernommen. Was war das erste, das Sie im Unternehmen verändert haben?

Riccitiello: Der CEO wurde bei Unity nicht ausgetauscht, weil irgendwem der Kragen geplatzt wäre. Im Ernst, ich habe die Stelle nicht angetreten mit der Vorstellung, irgendwelche Änderungen im Kern von Unity vorzunehmen. Was Unity geschafft hat ist unglaublich. Ich sehe es eher als meine Aufgabe an, das Unternehmen zu fokussieren, damit Unity einige hohe Ziele erreichen kann. Wir wollen Probleme lösen, aktuelle wie künftige, die Entwickler plagen. Wir wollen ihnen so viele hilfreiche Werkzeuge in die Hand geben wie möglich.

c't: Es gab Gerüchte über einen eventuellen Verkauf der Firma an Amazon oder Google. Stehen Sie noch immer in Verhandlungen?

Riccitiello: Nein, wir planen nicht, die Firma zu verkaufen.

c't: Warum nicht? War das spekulierte Gebot von 2 Milliarden US-Dollar zu niedrig? Oder haben sie andere Ziele vor Augen?

Riccitiello: Wir möchten unabhängig bleiben, damit wir Dinge tun können, die wir als wichtig für die Spiele-Industrie betrachten.

c't: Jeden Monat kommt eine Firma mit einem neuen VR-Headset auf den Markt. Glauben Sie, Virtual Reality ist nur ein Hype? Oder ist dies eine substanzielle Entwicklung, die länger anhält als die kurzen Moden der stereoskopischen 3D-Spiele oder Bewegungs-Controller?

Riccitiello: Virtual Reality ist eine der interessantesten Entwicklungen der letzten Jahre, die die gesamte Spiele-Industrie verändern kann. Es wird die Art und Weise verändern, wie wir über Technik denken und mit ihr interagieren. Wir werden vielleicht nicht sofort ein Endverbraucher-Produkt sehen das aus dem Stand einen großen Erfolg hat. Aber in zehn Jahren werden wir uns ein Headset aufsetzen und uns mit unseren Liebsten im selben Raum unterhalten, selbst wenn sie sich auf der anderen Seite des Planeten befinden. Wir werden komplett in den erstaunlichsten Welten versinken und tausend andere Dinge erleben, die wir uns heute nicht erträumen können. Virtual Reality und auch Augmented Reality werden sehr, sehr wichtig werden. Es wird nicht die gleiche Form behalten wie heute, aber es ist derzeit schwer vorstellbar, dass es nur ein Hype bleiben wird. Wenn man sich die Demos von Oculus und anderen VR-Firmen ansieht, kann man deren Stärke nicht leugnen.

c't: Wenn ständig mehr VR-Geräte auf den Markt kommen, brauchen wir eine standardisierte Schnittstelle, die jeder Software-Entwickler nutzen kann. Wird Unity einen solchen Standard bereitstellen und mehr VR-Geräte unterstützen, oder sich fürs erste auf die Oculus Rift konzentrieren?

Riccitiello: Wir arbeiten sehr hart daran, die Oculus Tools in Unity zu integrieren und bislang läuft das exzellent. Wir befinden uns derzeit in der Alpha-Phase, aber Oculus wird mit seinen Werkzeugen die Programmierung von VR-Software wunderbar vereinfachen. Wir sehen VR, nicht bloß Oculus, als wirklich wichtig für Entwickler an, die vorankommen wollen. Die Entwicklung und Unterstützung für mehrere Plattformen war schon immer die Stärke von Unity. Wir unterstützen derzeit 21 Spiele-Plattformen und man kann durchaus erwarten, dass wir künftig weitere hinzufügen werden. Fast jeder bei Unity ist ein Fan von Virtual Reality und wir werden künftig mehr in diese aufregende neue Technik investieren.

c't: Epic verteilt seine Unreal Engine inzwischen kostenlos. Sehen Sie Epic als einen Konkurrenten an, auf dessen Marktstrategie Sie reagieren müssen? Gibt es einen Preiskrieg zwischen den Entwicklungsumgebungen? Oder ist Unity etwas völlig anderes als Unreal?

Riccitiello: Unity wurde auf den Prinzipien der Demokratie gegründet und diese sind tief verwurzelt in unsere Unternehmenskultur. Unsere Ankündigung, dass wir die Personal Edition von Unity 5 kostenlos anbieten, zeigt, wie ernst wir es mit diesem Ideal nehmen. Wir wollen jedem Entwickler die Möglichkeit geben, Unity zu nutzen – unabhängig davon, ob er sie bezahlen kann oder nicht. Wir wollen aus so vielen Menschen wie möglich kreative Entwickler machen. Ich bin stolz darauf, dass Unity seine Preise anhand seiner Prinzipien festlegt und nicht anhand von Tabellenkalkulationen.

c't: Peilt Unity auch Zielgruppen außerhalb der Spiele-Industrie an? Lassen sich mit Unity auch ernsthafte Anwendungen umsetzen, die nicht bloß dem Zeitvertreib dienen?

Riccitiello: Es gibt ein unglaublich großes Feld an Anwendungen außerhalb der Spiele-Industrie, die mit Hilfe von Unity umgesetzt wurden. Darunter sehen wir Trainings-Simulationen, medizinische Visualisierungen und Lernprogramme, Visualisierungs- und Verkaufs-Programme für Architekten, Schulungs-Software, virtuelle Präsentationsräume, Marketing-Programme, Werkzeuge für Filmemacher, Kunst-Installationen, Daten-Visualisierungen ... eigentlich alles, was man sich vorstellen kann – außer Sie suchen eine reine Verkaufs-Datenbank, dann müssen Sie sich wohl woanders umsehen. Aber es gibt wenige Beschränkungen, was man mit Unity nicht machen könnte. Kleine Beispiele sind in unserer Galerie zu sehen.

(hag)