Veränderte Fernseh-Gewohnheiten: Konflikt um Kabel-TV-Tarife in Nordamerika

Weil immer mehr Haushalte auf Kabel-TV verzichten, suchen US-Kabelbetreiber nach neuen Vertragsmodellen. Sie landen vor Gericht. In Kanada versucht sich indes die Regulierungsbehörde an der Erneuerung.

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Fernseher zeigt Skyline mit Wolkenkratzern

Streaming-Anbieter wie Amazon Prime, Hulu und Netflix sind günstige Alternativen, bei denen man sich auch nicht nach einem fremden Zeitplan richten muss.

(Bild: dpa, Michael Nelson)

Lesezeit: 3 Min.

Kabel-Netzbetreiber in Nordamerika fürchten sich vor dem Trend zum Verzicht: Immer mehr Kunden wollen sich keine teuren Kabel-Abos leisten. Von den üblicher Weise mehr als 100 Programmen schauen die meisten Haushalte weniger als 20 tatsächlich an. Verizon hat nun ein schlankeres Paket geschnürt, bei dem der Kunde aus mehreren Kanalpaketen wählt. Das hat dem Netzbetreiber prompt eine Klage von ESPN eingebracht. Dieser Sportkanal will sich nicht damit abfinden, nur noch optional empfangen (und bezahlt) zu werden.

ESPN zitiert Verizon vor den New York Supreme Court in Manhattan.

(Bild: wallyg CC-BY 2.0 )

ESPN gehört Disney und ist der verbreitetste Sportsender in den USA. Mehr als 80 Prozent aller TV-Haushalte empfangen ihn und bezahlen indirekt dafür. Doch nur etwa ein Viertel schaltet den Kanal auch ein. Laut Bloomberg Radio kassiert ESPN von Zwischenhändlern 6,61 US-Dollar pro theoretischem Endkunden und Monat. Das ist ein Vielfaches dessen, was andere TV-Kanäle verlangen. Aber auch sie kassieren pro angeschlossenem Kunden; egal, ob der einschaltet oder nicht.

Verizons neues Angebot "FiOS Custom TV" umfasst ein Standardangebot von zirka 40 Kanälen. Dazu können die Kunden zwei von insgesamt sechs thematischen Programmbouquets ohne Aufpreis dazubuchen. Im Sportpaket ist auch ESPN enthalten. Custom TV kostet "nur noch" um die 80 US-Dollar monatlich (gut 71 Euro).

Wählt ein Kunde aber nicht das Sportpaket, entfallen für ESPN die Einnahmen. Macht das Beispiel Schule, drohen ESPN-Eigentümer Disney jährlich Milliarden zu entgehen. Also hat ESPN vergangene Woche in New York ein Gerichtsverfahren gegen Verizon eingeleitet (ESPN v. Verizon Services, 651391/2015, New York State Supreme Court).

ESPN behauptet, Verizons neue Tarifkonstruktion stelle eine Vertragsverletzung vor. Juristische Details sind noch nicht bekannt. Auch die Programmanbieter Fox und NBCUniversal halten Verizons Vorgehen für vertragswidrig. Vor einer Klage wollen sie aber mit Verizon verhandeln. Das Unternehmen stellt alle Vorwürfe in Abrede und sieht das neue Angebot von den bestehenden Verträgen gedeckt.

Im Nachbarland Kanada macht die Regulierungsbehörde CRTC Vorgaben, mit denen sie lange Diskussionen und Verfahren zwischen Kabelnetzen und Programmanbietern vermeiden möchte. Ab März kommenden Jahres müssen alle Kabelbetreiber mindestens ein schlankes Paket für monatlich 25 kanadische Dollar netto (gut 18 Euro) anbieten.

Der kanadische Regulierungs-Zeitplan.

(Bild: Government of Canada)

Dazu können die Kunden dann gegen Aufpreis entweder einzelne TV-Sender oder kleine Pakete mit mehreren Programmen hinzubuchen. Außerdem wird die Behörde die Verträge zwischen Programmanbietern und Kabelbetreibern kontrollieren. Verboten werden Klauseln, die Mindestumsätze oder Mindestabonnentenzahlen vorsehen. Das soll kleinen Kabelnetzen den Zugriff auf attraktive TV-Programme sichern.

Ähnlich wie in den USA gibt es auch in Kanada vertikal integrierte Anbieter: Sie besitzen sowohl Kabelnetze als auch TV-Sender. Ab September 2018 darf maximal jeder zweite im eigenen Kabelnetz übertragene Sender ein Produkt des eigenen Konzern sein. Damit soll unabhängigen Sendern die Chance gegeben werden, ein ausreichend großes Publikum zu erreichen. Die großen Medienunternehmen Kanadas sind angesichts der neuen Vorschriften nicht erbaut . (ds)