re:publica 15: Pandas in Europa

Die neunte re:publica brach wieder einmal alle möglichen Rekorde, auch wenn das Thema "Finding Europe" mitunter arg ins Hintertreffen geriet. Ein Blick zurück.

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re:publica 15: Pandas in Europa

Jacob Appelbaum

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Rund 7000 Teilnehmer aus 43 Ländern von allen Erdkontinenten, darunter 700 Journalisten zeigten, dass die re:publica nach wie vor die Netizen mobilisieren kann. Sie hängten 9400 Clients ins Netz. Damit blieb die Veranstaltung knapp unter den 10.000 Teilnehmern, ab dem ein Veranstalter als Provider zählt und Bestandsdaten speichern muss. Womit eines der dominierenden Themen der re:publica genannt wäre, die von 403 freiwilligen Helfern gestemmt wurde, die dafür jeweils eine kleine Sonne erhielten: die Vorratsdatenspeicherung und zunehmende Überwachung, auch durch Geheimdienste. Gegen solche Brocken hatte es das Thema Europa schwer.

Was im Jahre 2007 in einem ehemaligen Kalklager begann, ist längst eine gut geölte Veranstaltungsmaschine. die große Hallen bespielen kann. Ein einziges Mal patzten die Veranstalter, als sie die Präsentation eines Filmauschnittes des neuen Kurzfilms "Surveillance Machine" der Oskar-prämierten Dokumentarfilmerin Laura Poitras in eine Halle legten, die dem Ansturm nicht gewachsen war.

Impressionen von der re:publica 2015 (17 Bilder)

Das große Finale der re:publica 15
(Bild: re:publica; CC BY 2.0 )

Gezeigt wurde, wie der US-amerikanische Aktivist Jacob Appelbaum und der chinesische Künstler Ai Weiwei im Rahmen des von Rhizome gesponserten Projektes Seven on Seven zusammenkommen. Sie nehmen 14 Stoffpandabären aus und füllen sie dann mit geschredderten NSA-Aktenschnipseln und SD-Karten, die dank Edward Snowden ausgedruckt und abgespeichert werden konnten.

Den ersten dieser Pandas aus dem PTP-Projekt (Panda to Panda) bekam auf der re:publica Sarah Harrison von der Courage Foundation zum Dank dafür, dass sie "Edward Snowdens Leben gerettet" habe, erklärte Appelbaum. Tags zuvor hatte sich der Weltenbummler Appelbaum einen heftigen Disput mit dem russischen Regimekritiker Andrej Soldatow über die Frage geliefert, ob Snowden mit dem russischen Geheimdienst zusammenarbeite. Panda ist übrigens im Chinesischen der Spitzname für die Schlapphüte von den Diensten.

Vor diesem saalsprengenden Panda-Happening hatte Appelbaum mit Heiko Rittelmeier vom Bund deutscher Kriminalbeamten über das "Deep Web" diskutiert. Er forderte den Kriminalisten auf, Tor zu nutzen, um die üblen Menschen zu enttarnen, die das für Dissidenten gedachte Netzwerk für eigene Zwecke nutzten.

Und dann war da noch das Thema Europa, als Vision und als Bürokratiemonster. Den engagiertesten Vortrag hielt Ulrike Guérot zum Traum einer echten Republik aller europäischen Bürger. Großen Beifall bekam auch die Piratin Julia Reda für ihren Beitrag zu einem europäischen Urheberrecht, das Nutzern hilft und nicht Konzerninteressen bedient.

Das Unbehagen an Europa (An American intelligence agency) illustrierte ausgerechnet der US-Amerikaner Eric Jarosinski vortrefflich mit einer Lesung seiner Tweets, die zum Nachdenken anregen: "Europe. A Greek start-up bought by Germany. Then sold to Google."

Parallel zur re:publica erschien ein vom jüngst verstorbenen Frank Schirrmacher herausgegebener Debattenband zum technologischen Totalitarismus. Das Vorwort verfasste EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der selbst an der FAZ-Debatte teilgenommen hatte und dabei ein freies Netz gefordert hatte. Doch mit solchen Visionen muss man zum Arzt.

Nichts illustrierte den aktuellen Zustand von Europa besser als die Strategie zum digitalen Binnenmarkt, die während der re:publica in Brüssel vorgestellt wurde, die nach Ansicht der Wirtschaft ein riesiges Wachstumspotenzial freisetzen will. Das Europa der Unternehmen und Konzerne wird groß, das Europa der Bürger ganz klein geschrieben, wie re:publica. (anw)