Digitaler Binnenmarkt: EU-Abgeordnete drängen auf Ende von Geoblocking und Roaming-Gebühren

Vielen EU-Parlamentariern erscheint die Strategie der EU-Kommission für einen einheitlichen Online-Markt zu vage. Ihr Zorn richtet sich gegen die Mitgliedsstaaten, die Reformen beim Datenschutz und bei Telecom-Regeln blockierten.

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Digitaler Binnenmarkt: EU-Abgeordnete drängen auf Ende von Geoblocking und Roaming-Gebühren
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Die Anfang Mai von der EU-Kommission präsentierte Strategie für einen digitalen Binnenmarkt begrüßten die meisten Abgeordnete in einer ersten Aussprache im EU-Parlament am Dienstag in Straßburg prinzipiell. Die Vorschläge blieben aber noch "recht nebulös" und sparten Bereiche wie die "Sharing-Economy" oder die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt komplett aus, war häufig zu hören. Auch die Industrie 4.0 komme zu kurz.

Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab erinnerte daran, dass im Bereich Internet und Telekommunikation "viele Gesetzgebungsbaustellen" noch offen seien: "Wir kommen nicht so weit, wie wir gerne würden", sagte er in Richtung der Mitgliedsstaaten. Auch Jan Philipp Albrecht warf dem abwesenden EU-Rat vor, die Basis für den digitalen Binnenmarkt mit den Projekten für den elektronischen Telekommunikationsmarkt und die neue Datenschutzverordnung zu blockieren, die seit Jahren erörtert werden: "Diese Rechtsakte müssen angenommen werden, dann können wir an weiteren Maßnahmen arbeiten."

Aus dem ursprünglich von der Kommission geschnürten Paket für neue Telecom-Regeln sind nur der Streit ums offene Internet und das "Symbolthema" Roaming-Gebühren übrig geblieben. Die Verhandlungen dazu sind festgefahren. Wie solle ein digitaler Binnenmarkt ohne Netzneutralität entstehen, fragte der Grüne Michel Reimon. Die Christdemokratin Angelika Niebler appellierte an die Kommission, die versprochene "Abschaffung der Roaming-Gebühren mit uns gemeinsam zu verhandeln. Wir können jede Unterstützung gegenüber den Mitgliedsstaaten gebrauchen."

Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Andrus Ansip räumte ein, dass die Datenschutzreform und das Telecom-Paket "wichtige Bausteine" für die neue Strategie seien. Die Bürger erwarteten das Ende von Zusatzgebühren beim Telefonieren und Surfen im europäischen Ausland, sagte Ansip. Die Kommission fordere dafür "eine klare Frist". Sie sieht sich die Hände gegenüber den Mitgliedsstaaten aber offenbar ebenfalls gebunden. So bat Ansip die Volksvertreter, in dieser Frage "Druck zu machen".

Rund um den Vorschlag für einen einheitlichen Online-Markt war ein immer wieder angesprochenes Thema der grenzüberschreitende Zugang zu digitalen Inhalten wie Filmen, Musik oder E-Books. "Geoblocking muss generell abgeschafft werden", wandte sich die Linke Cornelia Ernst gegen das Vorhaben der Kommission, nur gegen "ungerechtfertigte" Abrufsperren in anderen EU-Staaten vorzugehen. Brüssel müsse zudem eine "Urheberrechtsreform schaffen, die den Namen verdient". Der derzeitige Flickenteppich an Nutzerrechten sei aufzuheben.

"Wer in den Niederlanden ein Netflix-Abonnement kauft, kann den Dienst nicht in allen Mitgliedsstaaten nutzen", monierte auch die Rechtskonservative Anneleen van Bossuyt. Die Möglichkeit, legal erworbene Inhalte und abonnierte Dienste auf Reisen mitnehmen und abspielen zu können, bezeichnete auch Sabine Verheyen von der CDU als unerlässlich. Dabei dürften aber die "professionellen Rahmenbedingungen für die Produktion von Inhalten" wie das Geschäftsmodell der Territorialität nicht gefährdet werden.

"Die Portabilität muss gewährleistet werden", betonte Ansip. "Wir haben unseren Bürgern versprochen, dass es grenzüberschreitend Zugang geben wird zu digitalen Inhalten." Letztlich müsse aber die Filmindustrie der Politik sagen, wie lange sie einen Schutz für ihre Streifen im Kinos oder auf DVD haben wolle. Dabei müssten die Produzenten im Auge behalten, dass "bis zu 68 Prozent der EU-Bürger freie Downloads nutzen" und zu enge Vorgaben für Video on Demand die "Piraterie" nicht zurückdrängten.

Dennis De Jong von der Linksfraktion beklagte, dass der einstige "Freihafen" Internet immer mehr von Geheimdiensten ausspioniert und von multinationalen Konzernen beherrscht werde. Es sei daher richtig, dass die Kommission gegen Google vorgehen wolle. Sie dürfe andere Netzriesen wie Amazon oder Facebook aber nicht aus den Augen verlieren. Der europäische Mittelstand werde im Internet durch "die Amazons und eBays der Welt" eingeschränkt, stieß die Liberale Dita Charanzova ins gleiche Horn.

Bei Online-Großhändlern gebe es bislang so gut wie keine Möglichkeiten, Arbeiterinteressen gemeinsam durchzusetzen, ergänzte die SPD-Politikerin Jutta Steinruck: "Wir brauchen da auch neue Regeln, nicht nur Deregulierung." Kein Wort habe die Kommission in ihrem Papier zum "sozialen Dialog" oder zu vermehrten "prekären Arbeitsverhältnissen" in der digitalen Welt verloren, rügte ihre Fraktionskollegin Evelyn Regner. "Einige Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlieren", erwiderte Ansip. Diesen müsse die Politik bei der Jobsuche helfen, etwa durch Angebote zum lebenslangen Lernen. Insgesamt zeigte sich der Kommissar aber zuversichtlich, dass der digitale Binnenmarkt mehr Beschäftigungsmöglichkeiten als bisher schaffen werde. (anw)