TTIPs "böser Bruder" TiSA auf Wikileaks

Wikileaks hat 17 Geheimpapiere zum geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA publik gemacht, das TTIP ergänzen soll – und Datenschutz und Netzneutralität unterwandert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 154 Kommentare lesen
TTIP, TISA, Freihandelsabkommen, Europa, USA
Lesezeit: 2 Min.

Auf der Enthüllungsplattform Wikileaks wurden erstmals umfangreiche Dokumente zum geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement) veröffentlicht, die tiefere Einblicke in das im Geheimen verhandelte Abkommen erlauben. Demnach stehen neben dem freien Einsatz von Open-Source-Software bei öffentlichen Aufträgen auch europäische Regeln zum Datenschutz und zum offenen Internet auf dem Spiel. Technik-Blogger Glyn Moody bezeichnet TiSA als den "bösen Bruder " der prominenteren derzeit verhandelten Handelsabkommen TTIP und TPP.

Kurz zuvor war eine Klausel bekannt geworden, wonach beteiligte Staaten von einem Hersteller oder Zulieferer nicht mehr verlangen dürften, dass diese ihren Quellcode offenlegen. Teile eines Entwurfs hatte die Enthüllungsplattform bereits im vergangenen Jahr online gestellt. Über das Dienstleistungsabkommen verhandeln neben der EU und den USA 23 weitere Länder wie die Türkei, Mexiko, Kanada, Australien, Pakistan oder Israel. Brasilien, Russland, Indien oder China sind nicht beteiligt.

Dieses Mal wartet Wikileaks mit 17 Kapiteln beziehungsweise Anhängen zu dem Abkommen auf. Die Papiere aus den Jahren 2013 bis 2015 decken ein weites Feld von Finanzdienstleistungen über Schiffstransporte und die Bewegungsfreiheit bis hin zu Transparenzvorgaben ab. Der Entwurf zu E-Commerce-Regeln enthält weitgehende Klauseln zum "freien Datenfluss". So sollen Dienstleister aus anderen Unterzeichnerstaaten nicht daran gehindert werden dürfen, personenbezogene Informationen außerhalb des Territoriums zu speichern, an dem sie ihre Geschäftstätigkeit ausführen, und ihre Rechenzentren überall betreiben dürfen.

In der Praxis würde dies bedeuten, dass europäische Regierungen Konzerne wie Google oder Facebook nicht dazu verpflichten könnten, Daten über die eigenen Bürger innerhalb der EU zu verarbeiten und nur dort aufzubewahren. Dies hätte etwa auch Einfluss auf die neuen deutschen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung: dem Regierungsentwurf nach sollen auch ausländische Provider die gewünschten Verbindungs- und Standortinformationen nur in Deutschland speichern dürfen.

Im Anhang zu Telekommunikationsdiensten findet sich zudem ein sehr vage gefasster Artikel, wonach Provider nicht in der Wahl der jeweils für ihre Dienste eingesetzten Technik eingeschränkt werden dürfen. Ein Alternativvorschlag macht deutlicher, dass Telcos nach eigenem Gutdünken "Mehrwertdienste" zur Verfügung stellen könnten. Dies erinnert an die "Spezialdienste", die laut Kritikern die Netzneutralität aushebeln. EU-Gremien streiten gerade darüber, ob sie solche Zusatzangebote zulassen oder sich für klarere Regeln zur Netzneutralität aussprechen sollen. (vbr)