Hausfrauen: die neuen Computerpiraten

Hausfrauen, die im Internet illegal Stickmuster tauschen, avancieren zu den neuen Software-Piraten im World Wide Web.

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Von
  • Matthias Schröter
  • dpa

Hausfrauen, die im Internet illegal Stickmuster tauschen, avancieren zu den neuen Software-Piraten im World Wide Web. Nachdem die Musikbranche sich durch den Tausch von MP3- Musikdateien geschädigt sieht, schlägt jetzt in Amerika die Stickmuster-Industrie Alarm. Sie beklagt, dass die Kundinnen per E-Mail die mit Copyright versehenen Muster durch die Datenwelt schicken, anstatt brav zu kaufen. In Deutschland gibt es ebensolche Ansätze zum Tausch der urheberrechtlich geschützten Motive.

Stickmaschinen sehen fast so aus wie Nähmaschinen. Mit der nötigen Computer-Software lassen sich anspruchsvolle Motive auf die Kleidung zaubern. "So kann man die Kinderkleidung verschönern", berichtet Elke Spiess aus Gelsenkirchen, die im Internet einen professionellen Vertrieb für geschützte Muster von Vögeln, Comic-Helden und Feiertagsmotiven betreibt. Spiess, die nach eigenen Angaben auch viel in die Vereinigten Staaten verkauft, meint: "Wenn ich eine Stickmusterdiskette verkaufe, muss ich damit rechnen, dass die Käuferin sie an ein Dutzend Freundinnen weitergibt." Durch das Internet sei die Austauschmöglichkeit der Muster viel größer geworden. Darauf habe sie "leider" keinen Einfluss.

So schrieb Angelika eine E-Mail, die auf einer Internetseite für Stickfans gespeichert ist: "Suche Gleichgesinnte, die gerne mit einer Stickmaschine arbeiten, um Erfahrungen und auch Muster von Diskette auszutauschen. ... Besonders suche ich Gänse und Rosen." Darauf antwortete ihr Andrea: "Ich hätte ein paar Rosen für Dich, in Kreuzstich. Mit Gänsen kann ich Dir nicht dienen." Oder Heike schreibt, sie habe eine neue Stickmaschine erworben und sei am Austausch von Stickmusterkarten interessiert. Unrechtsbewusstsein scheint bei den Nutzerinnen nicht zu herrschen. Sie geben offen ihre Adressen und Telefonnummern an.

Eine Sprecherin der Brother International GmbH aus Bad Vilbel, die neben Druckern und Faxgeräten auch Stickmaschinen und Muster vertreibt, ist überzeugt, dass der Austausch der begehrten Muster durch das Internet leichter geworden ist: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch in Deutschland passiert." Die Piraterie sei aber schwer nachvollziehbar.

Währenddessen tummeln sich im weltweiten Netz zahllose Angebote, die den Weg in die weite Welt der Stickmuster zeigen. Auf das Suchwort "Stickmuster" spucken Suchmaschinen mehrere hundert Angebote aus. Bei der weltweiten Suche nach "stitching" (englisch für Stickerei oder Näherei) gibt es gleich mehrere zehntausend Einträge auf Web-Seiten.

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass inzwischen immer mehr ältere und weibliche Menschen von zu Hause aus ins Internet gehen und Informationen über ihre Hobbys suchen. Laut ARD/ZDF-Online- Studie 2000 motivieren vor allem E-Mails und Ratgeberangebote die Menschen in Deutschland dazu, ins Netz zu gehen.

Stickmustervertreiberin Spiess aus Gelsenkirchen sagt: "Vor allem junge und alte Frauen sind meine Kunden." Beim Verband der Deutschen Heimtextilienindustrie aus Wuppertal, der die Hersteller der Stickmaschinen vertritt, heißt es zum Stickmustertausch: "In Deutschland ist das noch kein Problem." Ausschließen wolle man aber nicht, dass es sich so wie in Amerika entwickle.

Siehe dazu auch den früheren Bericht Die neueste Masche der Netzpiraten in Telepolis. (Matthias Schröter, dpa) / (jk)