Polizei Hamburg mit Bodycams: "Achtung, Aufnahme!"

Von diesem Wochenende an gehen Polizeibeamte in St. Pauli mit sogenannten Bodycams auf Streife. Von den mobilen Videoüberwachungsgeräten versprechen sich die Behörden einen Rückgang bei "Widerstandsdelikten gegenüber polizeilichen Maßnahmen".

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Bodycam Polizei Hamburg
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Wer am Wochenende die Reeperbahn in Hamburg besucht und mit der Polizei-Ansage "Achtung, Aufnahme!" konfrontiert wird, sollte sich zusammenreißen. Denn "Achtung, Aufnahme!" bedeutet im "Gefahrengebiet" Kiez aus Polizeisicht künftig, dass der Bogen überspannt ist. "Im vergangenen Jahr hatten wir im Bereich St. Pauli 159 Widerstandsdelikte gegenüber polizeilichen Maßnahmen", erklärt der stellvertretende Leiter des Polizeikommissariats 15, Jörg Biese, im Gespräch mit heise online. "Durch den Einsatz von Bodycams erwarten wir, dass das ein Stück weit reduziert wird."

Ab dem heutigen Freitag gehen Beamte der Schutzpolizei des auch als Davidwache bekannten PK 15 jeweils am Wochenende in Fünfer-Teams auf Streife, von denen einer als Video-Mann fungiert. Ausgerüstet mit einer Schulterkamera, einem zentralen Aufzeichnungs- und Anzeige-Modul sowie einer Funk-Fernbedienung am Handgelenk soll er vor allem strafrechtlich relevante Handlungen dokumentieren. "Wir hoffen aber auch, dass sich potenzielle Gewalttäter durch die Videokamera von ihrem Handeln abbringen lassen", unterstreicht Biese, "dass also eine deutlich deeskalierende und lageentschärfende Situation eintritt."

Bodycams bei der Polizei Hamburg (7 Bilder)

PK 15

Das Polizeikommissariat 15 am Spielbudenplatz in St. Pauli ist auch für das Vergnügungs- und Rotlichtviertel Reeperbahn zuständig.
(Bild: Peter-Michael Ziegler)

Eingesetzt werden soll das Videobeweissystem während der bis Ende 2016 laufenden Pilotphase zunächst nur an Freitagen und Samstagen, wenn Zehntausende das Vergnügungs- und Rotlichtviertel Reeperbahn besuchen. Wann Kamera und Mikrofon ein- und ausgeschaltet werden, bleibt dem Kontrollteam vor Ort überlassen. Wer sich von der technischen Aufrüstung auch ein Mittel zur Dokumentation eventueller Polizeigewalt versprochen hatte, die in Deutschland durchaus vorkommt, dürfte von dem Pilotprojekt eher enttäuscht sein. Auch die Hamburger Polizei war in den vergangenen Jahren immer wieder wegen angeblich übertriebener Härte bei Einsätzen in die Schlagzeilen geraten.

Das in St. Pauli eingesetzte Bodycam-System stammt vom niederländischen Unternehmen Zepcam und ist mit einer versiegelten Micro-SD-Karte mit acht Gigabyte Speicherplatz bestückt. Zugriffsberechtigte Beamte können das aufgenommene Material in der Wache zwar sichten – einen Löschzugriff auf die Speicherkarte soll aber nur die IT-Abteilung der Hamburger Polizei haben. Die Entscheidung, ob ein dokumentiertes "delinquentes Verhalten" verfolgt und die entsprechende Sequenz dauerhaft gespeichert wird, treffe in der Regel der Dienstgruppenleiter, erklärt Biese. "Das komplette Gerät geht dann an die IT-Abteilung, wo die Karte entnommen wird." Besteht kein Anlass zur Strafverfolgung, werde der Inhalt gelöscht.

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Passanten können im Übrigen nur schwer erkennen, ob gerade gefilmt wird oder nicht. Es gibt zwar kleine Status-LEDs als Indikatoren an der Handgelenks- sowie der Recorder-Unit, die in einer Westentasche transportiert wird. Kurzärmelig und ohne Jacke werden die Polizisten aber nicht das ganze Jahr über herumlaufen. Eine Live-Streaming-Funktion ist in der Version "Zepcam T1" nicht implementiert und sei auch "eindeutig nicht vorgesehen", versichert Biese – der niederländische Hersteller hat ein solches Produkt aber ebenfalls im Portfolio.

Juristische Grundlage für den Einsatz von Bodycams in Hamburg ist eine Änderung des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG). Danach ist der Einsatz "technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen" für "Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in öffentlich zugänglichen Bereichen" zulässig. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar kritisiert, dass mit "technischen Mitteln" beispielsweise auch der Einsatz von Flugdrohnen gemeint sein könnte. Caspar konnte sich mit seinen Bedenken aber nicht durchsetzen.

Einen ausführlichen Bericht zum Einsatz von Bodycams und die technische Aufrüstung der Polizei bringt c't in der Ausgabe 16/15. (pmz)