Internet im Fjord
In Norwegen kann man inzwischen fast flächendeckend ins Netz gehen, weil ein schlauer Provider einfach alte Funkfrequenzen für moderne Technik wiederverwertet.
Norwegen ist unglaublich schön – besonders natürlich in jenen Ecken, die etwas abgeschiedener liegen. Jetzt wird es noch schöner. Zumindest für Leute, die immer und überall online sein wollen: Ein Provider namens Ice.net schickt sich seit einiger Zeit an, naturverbundene Menschen auch in der eigenen Hütte am Fjord, draußen auf einer der vielen Inseln sowie selbst im Boot vor der Küste mit dem kommunikationstechnischen Must-Have der heutigen Zeit zu versorgen: Breitband-Internet.
Ice.net setzt dabei auf eine kluge Kombination aus alter und neuer Technik: Der Provider verwendet die Lizenz des alten nordischen Analog-Mobilfunks NMT und betreibt darüber ein CDMA-Netz (in den USA läuft das unter dem Schlagwort EVDO). Der Vorteil gegenüber UMTS: Da NMT auf einer geringeren Frequenz als UMTS sendet und empfängt, sind weniger Basisstationen notwendig und die Wellen reichen weiter. Das reicht für 2,5 bis 3 Megabit selbst in dünner besiedelteren Regionen, etwas weiter draußen bekommt man immerhin noch knapp ein Megabit.
Die Technik könnte dabei wirklich nicht einfacher sein: Man erhält entweder ein USB-Modem oder (noch simpler) einen kompakten WLAN-Router, der gleichzeitig im drahtlosen Breitband-Internet eingebucht ist. Man braucht weder Passwort noch Sim-Karte, das Gerät ist sofort eingebucht. Der Router generiert dann eine eigene private WLAN-Zone, in die man alle im Haus befindlichen Rechner einklinken kann. Bezahlt werden rund 250 Euro für die Hardware, wenn man keinen längeren Vertrag abschließen will (dann wird's billiger), für die Flatrate kommen nochmals knapp 50 Euro im Monat hinzu. Für norwegische Verhältnisse ist das ein Schnäppchen!
Ich konnte die Technik neulich bei einem Trip in den hohen Norden ausprobieren – und hatte sowohl auf allen Flughäfen, im Hotelbett nahe der Großstadt, wie auch draußen in einer 200-Seelengemeinde problemlos Empfang. UMTS mit dem Booster-Zusatz HSDPA ("Turbo 3G") ist in Norwegen zwar (natürlich) ebenfalls zu haben, doch ist die Geschwindigkeit oft nur in größeren Zentren wirklich bei den beworbenen 3 Megabit und mehr. Und auch die Kosten sind höher.
Leider scheint sich die Überallversorgung allerdings offenbar noch nicht zu rechnen: Ice.net, das neben Norwegen auch noch Schweden und Dänemark abdeckt und Lizenzen in Polen besitzt, kündigte im Dezember Restrukturierungsmaßnahmen bis hin zum Insolvenzverfahren an. Die Kreditkrise und wankelmütiges Investorenvertrauen setzen die Firma, die viel Geld in den Netzausbau hatte stecken müssen, mächtig unter Druck. Zum Glück wird das Netz auch während der Restrukturierung nicht abgedreht, zumal man in Norwegen mit 30.000 Kunden (bei 4,7 Millionen Einwohnern) sowie Großkunden wie der Küstenwache gut dasteht, hier vielleicht ein Spinoff vornimmt.
Die Kombination aus wunderschöner Natur und ständig verfügbarem Breitband-Internet ist jedenfalls nicht zu schlagen. Auch wenn man das Netz dann doch ab und an abdrehen muss, um endlich mal wirklich im Hier und Jetzt zu sein. (wst)