Einen gezwitschert

Twitter ist trendy. Der US-Kommunikationsdienst wächst rasant und in Deutschland machen ihn Start-ups gleich reihenweise nach. Fragt sich nur, welche sozialen Auswirkungen all das "What are you doing?"-Gezwitscher haben könnte.

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Wie ein Web 2.0-Trend exponentiell wachsen kann, darf man sich aktuell beim amerikanischen Kommunikationsphänomen Twitter anschauen. Die simple Idee einer regelmäßigen kurzen Statusmeldung - als Beantwortung auf die universelle Frage "What are you doing?" - zieht immer mehr Nutzer an.

Auch in Deutschland wächst die Gemeinde stetig, wie's funktioniert, kapiert man nach nur wenigen Benutzungsschritten. Der persönliche Exhibitionismus tut dann sein übriges - gepaart mit einer ordentlichen Portion Mitteilungsbedürfnis.

Das Twitter-Geschäftsmodell gilt einigen jungen Leuten inzwischen als so genial, dass sie den Dienst gleich in Deutschland nachbauen mussten. Satte sieben hiesige Start-ups kopieren das Vorbild mehr oder weniger 1:1 und hoffen wohl, irgendwann einmal aufgekauft zu werden (und nein, ich komme jetzt nicht wieder mit irgendwelchen Bubble-Warnungen an, denn wir sind längst drin in der Blase 2.0).

Ich mag Twitter. Ich mag die Eleganz der einfachen Idee, das Interface, das jeder versteht (...wenn man einmal kapiert hat, was "Friends" und was "Follower" sind...), die API fĂĽr unendlich viel spannende Software rund um den Dienst sowie die Laune, die es machen kann, mit Freunden einfach und unkompliziert Kontakt zu halten.

Wenn man die Twitter-Feeds vieler Nutzer betrachtet, müssen dann aber doch einige vorsichtige Fragen erlaubt sein. Erstens: Sind sich die User klar, dass alles, was sie dort von sich geben, öffentlich ist und sich bequem über RSS-Feeds und Clients überwachen lässt? Zweitens: Wann kommt der erste Chef auf die Idee, eine Art Twitter-Zwang einzuführen, um immer schön zu wissen, was seine Angestellten so treiben? (Horrorvorstellung: Gerne auch automatisiert - dank GPS mit Ortsangabe?)

Zu 1: Ja, viele Leute wissen das und es ist ihnen offenkundig egal. Manchen aber nicht. Man kann bei Twitter zwar nur "Freunde" mitlesen lassen, was man den lieben langen Tag lang erlebt, doch die meisten User nutzen den Dienst völlig offen.

Zu 2: Warten wir noch ein Weilchen. Wenn man jetzt fies denkt, ist Twitter nur die Gewöhnung an die Totalüberwachung unter Zuhilfenahme des narzisstischen Trends zur Selbstdarstellung. Und ja, ich weiß, man bestimmt selbst, was man dem Twitterspace mitteilt. Trotzdem kann man nach der Verfolgung einiger Feeds schnell erfahren, wo jemand besonders gerne essen geht, wann er/sie im Büro aufschlägt und wann die Kinder aus dem Kindergarten geholt werden. Freiwillig. Das ist für Datenschützer schon recht unheimlich.

Es gibt übrigens inzwischen Twitter-Klone, die auf die rein private Übermittelung von Statusmeldungen setzten. Vielleicht ist das ja eine Lösung, wenn sie wirklich sicher ist. Aber es ist dennoch schon erstaunlich, wie viel Menschen freiwillig von sich Preis geben. Und das nur, weil ihnen irgendeine Website irgendwo in den USA die Frage stellt, was sie gerade machen. (wst)