Jan Wörner steigt zum ESA-Chef auf: "Sollte eigentlich Pfarrer werden"

Erstmals seit einem Vierteljahrhundert steht ein Deutscher an der Spitze der bedeutenden europäischen Weltraumagentur ESA. Der bisherige DLR-Chef Jan Wörner begann als Quereinsteiger. Eigentlich sollte er Arzt oder Pfarrer werden.

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Johann Dietrich Woerner

Wörner ist nun für vier Jahre ESA-Chef

(Bild: ESA–S. Corvaja, 2015)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Yuriko Wahl-Immel
  • dpa
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Ein Raumfahrer ist er nicht. Ein beschleunigter Aufstieg in höhere Sphären ist Jan Wörner trotzdem gelungen. Von der Spitze des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist Wörner auf den Chefposten der europäischen Raumfahrtorganisation ESA nach Paris gewechselt. Der gelernte Bauingenieur lenkt seit dem 1. Juli die Geschicke einer bedeutenden Agentur, der 20 EU-Länder, die Schweiz und Norwegen sowie Kanada als assoziiertes Mitglied angehören – als erster Deutscher seit einem Vierteljahrhundert.

Wirklich gedrängt nach einer neuen Herausforderung habe es ihn angesichts seiner "tollen Aufgaben" beim DLR nicht, sagt Professor Wörner. Auf den neuen Job als Generaldirektor freut er sich trotzdem, auch weil einiges auf ihn zukommt: "Insbesondere die Aufgabe, eine neue Trägerrakete zu bauen, die Ariane 6." Sein Vorgänger Jean-Jacques Dordain hatte das Milliarden-Projekt in einem umkämpften Markt als "sehr schwergewichtig" hervorgehoben und gemahnt: "Wir müssen innovativ sein, erfinden und entwickeln."

Für Wörner hat auch Priorität, das Galileo-Navigationssystem zum Erfolg zu führen. Und: "Es wird 2016 und 2018 eine Mars-Mission der ESA geben", zählt er unter anderem auf. "Generell werden das Thema Internationale Raumstation und die Frage, was nach der ISS kommt, meine Amtszeit dominieren." Die ISS wird voraussichtlich Mitte der 2020er Jahre ihren Betrieb einstellen.

Eigentlich hatte der frühere Hochschulpräsident nie damit gerechnet, beruflich einmal in der Raumfahrt zu landen. Auch wenn der kleine Jan (Wörner heißt eigentlich Johann-Dietrich, nennt sich selbst aber in der Regel Jan) aus Kassel im Herzen schon immer Astronaut war. "Ohne mich ist kein Neil Armstrong geflogen und auch kein Juri Gagarin. Ich habe alle Flüge und Missionen verfolgt, aber nie gedacht, dass ich selbst mal in diesem Bereich tätig sein würde." Arzt oder Pfarrer hätten sich seine Eltern gewünscht, der Sohn entschied sich für Bauingenieurwesen in Berlin und Darmstadt.

Die Begeisterung für Technik und Forschung wird ihm bei der ESA Antrieb sein. Wenn auch alle vom Mars reden, ein "spannendes Territorium" sei definitiv der Mond, sagt er. "Ich glaube, dass der Mensch bald zum Mond aufbrechen wird und hoffe, dass Alexander Gerst dabei sein wird."

Wörner schaut weit in die Zukunft: Eines Tages werde die Sonne die Erde so erhitzen, dass die Menschheit auswandern müsse – vielleicht zum Mars. In den nächsten Jahrzehnten sei ein Leben auf dem Roten Planeten aber noch undenkbar: "Auf dem Mars können wir nicht draußen rumlaufen, wir können dort nicht atmen, wir müssten wegen der erhöhten Strahlung besondere Schutzanzüge tragen." Machbar sei eine erste bemannte Mission zur Erkundung des Mars bis 2050.

Die Raumfahrt sehen viele Experten vor großen Veränderungen, so auch Wörner. Kommerzielle Interessen kommen stärker ins Spiel. Einige Aufgaben seien schon auf Private übergegangen, etwa die Kommunikationssatelliten. Der Tourismus werde immer mehr zum Treiber. "Es gibt einige private Anbieter. Interessenten können für einen zweistelligen Millionenbetrag zur ISS oder für 200.000 Euro auf 100 Kilometer Höhe fliegen."

Grundsätzlich ist dem künftigen ESA-Chef das Verbindende wichtiger als nationales Denken. Wenn der Mensch zum Mars fliegen sollte, wünscht sich Wörner, "dass wir dann gar nicht darüber reden, welche Nationalität an Bord ist. Wir sind eine global agierende Gemeinde". Auch wenn er den Orbit im Blick hat, blendet er die Weltpolitik – Ukraine-Konflikt oder Dissonanzen zwischen dem Westen und Russland – aber nicht aus: "Die Raumfahrt kann in Zeiten irdischer Krisen eine gute Rolle in der Völkerverständigung spielen. Raumfahrt hat auch die Aufgabe, in schwierigen Zeiten internationale Kooperation aufrechtzuerhalten." (mho)