Neuer Aggregatzustand
Datenschutz bedeutet heute immer öfter auch: Wie schütze ich mich vor Daten? Es streamt und meldet allüberall. Wie geht das kompakter? Die digitalen Hilfsangebote sind heftig umstritten.
- Peter Glaser
Neulich hat Associated Press den kommerziellen News-Aggregator Moreover.com wegen systematischer Verletzung von Urheberrechten verklagt. Im Gegensatz zu Google News verkauft der zu VeriSign gehörende Dienst seinen Kunden die Agenturmeldungen im Volltext. Darauf aufmerksam wurde man bei AP erst, als die Agentur sich selbst für das Angebot von Moreover interessierte.
Noch vor ein paar Jahren war der Zugang zu solchen aktuellen Informationsübersichten ein teures Privileg. Kaum jemand konnte es sich leisten – weder den Zeitaufwand noch die Abokosten betreffend – täglich etwa die Feuilletons oder Wissenschaftsteile der großen deutschsprachigen Zeitungen zu verfolgen, von der internationalen Presse ganz zu schweigen. Wer aktueller als durch die abendliche Tagesschau oder die Radionachrichten informiert sein wollte, brauchte den kostenpflichtigen Zugang zu Agentur-Tickern. Am besten, man arbeitete selbst in einer Zeitungsredaktion oder man setzte sich in ein gutes Kaffeehaus und konnte sich da, zumindest gelegentlich, durch die Tages- und Wochenpresse graben.
Dann kam das Internet, mit ihm die Nachrichtenportale der Weltpresse. Jeder Netznutzer verfügt heute über Quellen, wie sie vor ein paar Jahren nur Redaktionen zugänglich waren. Dazu kommen noch etwa 70 Millionen Blogs, die eine neuartige Korrespondentenfunktion haben, sowie Unmengen von Spezialthemen, die nur im Netz verfügbare Informationsströme speisen. Die Demokratisierung des Nachrichtenbestands war kein politischer, sondern ein wirtschaftlicher Akt – kostenlose Angebote ziehen Leser an. Der Konkurrenz blieb nichts anderes übrig, als mitzuziehen.
Mit den News-Aggregatoren – das lateinische “aggregatum” bedeutet “das Angehäufte” – bekam Otto Normalsurfer ein Werkzeug in die Hand, mit dem sich der Informationstsunami etwas bezähmen läßt. Dazu kommen Dienste wie Digg, Shortnews, Tausendreporter, Webnews oder die Perlentaucher, die nun – mit sehr unterschiedlichem Anspruch – Journalismus auf einer neuen Ebene praktizieren. Während der klassische Journalismus Realität recherchiert und die unübersichtliche Welt für den Leser nachrichtenförmig aufbereitet, machen sich jetzt Menschen und Maschinen daran, die überbordende Menge dieser aufbereiteten Informationen nochmal neu zu verdichten und zu bündeln. Was für den informationsüberfluteten Leser von Vorteil ist, kann für die Nachrichtenverwerter allerdings kritisch werden.
Erst im Mai hat Google News eine juristsche Auseinandersetzung mit siebzehn belgischen Zeitungsverlagen beigelegt. Wie bei den Online-Ausgaben der meisten Zeitungen üblich, sind auch die Artikel der belgischen Zeitungen kurze Zeit kostenlos zu lesen, dann wandern sie ins Archiv und können später gegen Gebühr wieder abgerufen werden. Was die Belgier aufgebracht hatte, war übrigens nicht so sehr, dass Google News ihre Artikel zitierte (sofern der Bewertungsalgorithmus sie für wichtig hielt), sondern dass sie auch danach noch in Googles Cache abrufbar blieben – damit brachten sie die kostenpflichtige Weiterverwertung der Artikel in den zeitungseigenen Archiven in Gefahr.
Nun dürfen auch die belgischen Berichte wieder in Google News angezeigt werden, allerdings ohne dass sie danach in Googles gewaltiges Gedächtnis aufgenommen werden. Für Berichte von Nachrichtenagenturen wie Associated Press (AP) oder Agence France-Presse (AFP) bezahlt der Suchgigant inzwischen. Da es nun bezahlte und nicht bezahlte Nachrichten in Google News gibt, beeilt man sich bei der größten Suchmaschine von allen, zu versichern, dass die einen bei den Suchergebnissen nicht höher bewertet werden als die anderen. (wst)