Kolumne: Wie wichtig sind Chefs für ihre Firma?

Mancher Firmenchef hält sich für unersetzbar. Dabei ist sein Einfluss auf die Unternehmensperformance weitaus geringer, als man gemeinhin denkt, meinen amerikanische Wissenschaftler.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber zukünftiger Medimax-Chef Hans-Peter Lorenz,

Sie übernehmen zum 6. Oktober innerhalb der Electronic-Partner-Gruppe die Verantwortung für die Fachmarktlinie Medimax Damit werden Sie zum unmittelbar wichtigsten Menschen für den Geschäftserfolg und die Zukunft von Medimax. Die Frage ist nur: wie wichtig? Oder allgemeiner gefragt: Wie groß ist die Bedeutung und der Einfluss des Firmenchefs für bzw. auf die Performance eines Unternehmens?

In dem sehr lesenswerten Buch "Der Halo Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen" von Phil Rosenzweig fand ich den Hinweis auf einen Artikel der amerikanischen Wissenschaftlerinnen Marianne Bertrand und Antoinette Schoar, der sich unter anderem mit dieser Frage befasst. Dieser Aufsatz, der bereits im Jahr 2003 in der Zeitschrift "Quarterly Journal of Economics" erschienen war, trägt die Überschrift "Managing with Style – The Effect of Managers on Firm Policies". Die beiden Wissenschaftlerinnen wollten wissen, in wie weit die Unternehmensperformance vom persönlichen Führungsstil des Chefs abhängt. Ihre erstaunliche Antwort: Vier Prozent der Leistung eines Unternehmens hängt vom Führungsstil des Vorsitzenden ab. Nur vier Prozent! So wenig. Hätten Sie das gedacht, lieber Herr Lorenz? Unter "Führungsstil" verstehen Bertrand/Schoar übrigens nicht den Umgang der Chefs mit ihren Mitarbeitern, zumindest nicht nur und nicht in erster Linie. Sondern sie hatten untersucht, wie sich welche Entscheidung der Firmenchefs auf die Unternehmensleistung ausgewirkt hat.

Vier Prozent! Unglaublich. Ich kann´s kaum glauben. Ich hätte den Einfluss des Chefs viel höher angesetzt. Ich kann nicht sagen, wie hoch, aber deutlich höher. Meine Wahrnehmung ist, dass ein Chef sehr wohl über Wohl und Wehe eines Unternehmens entscheiden kann. Natürlich: Je größer das Unternehmen, desto stärker wirken andere Kräfte. Aber dennoch: Nehmen Sie zum Beispiel den Fall Alcatel-Lucent, ein wirklich großes Unternehmen. Die Firma ist seit dem Zusammenschluss richtig den Bach runtergegangen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Firmenchefin Patricia Russo gerade einmal vier Prozent zu diesem Trauerspiel beigetragen hat. Ist es nicht vielmehr so, dass sie, zusammen mit ihrem Aufsichtsratschef Serge Tchuruk, das Unternehmen erst in diese Krise manövriert hat?

Der Hintergrund, vor dem Phil Rosenzweig sich in seinem Buch "Der Halo-Effekt" mit dieser Frage beschäftigt, ist der, dass er die Ratgeberliteratur kritisch beleuchtet. Internationale Bestseller wie "Auf der Suche nach Spitzenleistungen", "Der Weg zu den Besten" oder "Immer erfolgreich" gehen alle nach demselben Prinzip vor: "Wenn du dies tust, kommt jenes als Ergebnis heraus." Wirtschaft aber ist keine Physik, meint Rosenzweig, und der Mechanismus von Ursache und Wirkung läßt sich im Business nicht anwenden. Zu viele Imponderabilien und Unwägbarkeiten, die sich nicht vorhersagen lassen, nicht zuletzt Glück, beeinflussen die Unternehmensentwicklungen.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Bedeutung des Firmenchefs. Ob die Kenngröße nun vier Prozent sind oder acht oder zehn, ist nebensächlich. Allerdings: Wenn man mit manchem Boss zu tun hat, gewinnt man durchaus den Eindruck, dass ohne ihn der Laden auf der Stelle zusammenbrechen würde. Das sind die großartigen Manager, die sich für unersetzbar halten. Manche leiden an Selbstüberschätzung und treffen aufgrund ihrer fehlenden Bodenhaftung waghalsige Entscheidung, die ihre Unternehmen nur zu oft in Schwierigkeiten bringen.

Nach dem "Halo"-Experten Rosenzweig sind es übrigens zwei Faktoren, die wesentlich für die Performance und den dauerhaften Erfolg eines Unternehmens sind: die richtige Strategie und die penible Ausführung, also die Umsetzung der Strategie. Für beides trägt der Firmenchef die Verantwortung. Dies ist daher sein zentrales Aufgabengebiet.

Lieber Herr Lorenz, viel Erfolg bei Ihrer neuen Aufgabe.

Beste Grüße

Damian Sicking

Der designierte Medimax-Chef Hans-Peter Lorenz antwortet Damian Sicking.

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