Tech Data und die Visionen des "Internet-Gurus" Ossi Urchs

Liebe Tech-Data-Geschäftsführerin Els Demeester,

ein Highlight auf dem Tech-Data-Forum gestern in München war der Vortrag des "Internet-Visionärs" Ossi Urchs. Den Vortrag wollte ich mir nicht entgehen lassen, obwohl ich keine präzise Vorstellung davon hatte, worüber der Mann reden würde. Denn im Programmheft hieß es nur "Azlan und IBM präsentieren den Internet-Guru Ossi Urchs". Das ist vermutlich der wesentliche Unterschied zwischen einem Guru oder Visionär und einem normalen Redner, zum Beispiel einem von der Firma Acronis. Der Guru hat ja eigentlich immer nur ein einziges Thema (nämlich eben das, für das er der Guru ist), während man dies beim normalen Referenten eigens von Fall zu Fall dazu schreiben muss, wie zum Beispiel gestern bei Acronis: "Innovative Verwendungsmöglichkeiten von Backup-Dateien".

Wie sich gestern herausstellte, wollten ziemlich viele Besucher den Vortrag von Ossi Urchs hören und es war ganz schön voll. Urchs sprach – natürlich – übers Internet und speziell über DAS Thema von heute: Soziale Netze im Internet oder wie es in der Fachsprache heißt "Social Networks" oder auch Web 2.0 (oder salopp das "Das Mitmach-Web"). Also über solche Sachen wie Xing, Facebook, Twitter, Myplace etc. Schon bald nachdem Urchs losgelegt hatte, war klar: Der Mann kennt sich aus und hat dazu auch viele Bücher amerikanischer Autoren gelesen, vermutlich ebenfalls Internet-Gurus und -Visionäre, aus deren Schriften er gerne zitierte und die er zur vertiefenden Lektüre empfahl. Auch sonst war der Vortrag erkenntnisgewinnend und inspirierend. An irgendeinem Punkt seines Referats konnte ich es allerdings nicht vermeiden, mir folgende Frage zu stellen: Warum verpflichtet ein Distributor wie Tech Data auf einer Händlerveranstaltung einen "Internet-Guru" wie Ossi Urchs, der eine knappe Stunde über Social Networks spricht? Drei mögliche Antworten fielen mir dazu ein: 1.Ossi Urchs ist – honorartechnisch gesehen – gerade günstig. 2. Tech Data möchte etwas für die Allgemeinbildung der Händler tun. 3. Bei Tech Data ist man der Meinung, dass das Thema konkret relevant für das Geschäft des Händlers ist. (Mehrfachnennungen sind möglich.)

Auch wenn nicht alle Zuhörer am Ende des Vortrags wussten, welche konkrete Handlungsempfehlung der "Internet-Visionär" ihnen mitgeben wollte, bekam Urchs verdienten Beifall. Ich selbst musste mir die Sache auch erst mal durch den Kopf gehen lassen. Eins ist, dachte ich, zweifelsohne klar, Social Network hin, Web 2.0 her: Die Brötchen holen wir immer noch beim Bäcker. Und das wird vermutlich auch morgen noch so sein. Allerdings hat der Bäcker von heute eine eigene Homepage (das Brötchen allerdings noch nicht). Auch eine zweite Sache ist gleich geblieben, etwas sehr Elementares: Geschäfte werden noch immer zwischen Menschen gemacht. Und auch dieses wird vermutlich morgen noch so sein. Nur sind die Menschen vielleicht morgen woanders als gestern und heute.

Es war schon immer so, dass es nicht schaden konnte, wenn sich ein vertriebsorientieres Unternehmen dort aufhielt, wo sich auch seine Kunden und die Menschen aufhielten, denen es seine Produkte verkaufen wollte. In der "alten Welt 1.0" waren das Sport-, Gesangs- und Schützenvereine oder andere Gruppierungen. In der "neuen Welt 2.0" heißen diese Gruppen von Gleichgesinnten "Communities" und treffen sich im Internet. Wer diesen Menschen etwas verkaufen will, tut gut daran, sich ebenfalls an diesen digitalen Treffpunkten aufzuhalten. (Beispiel: Ich habe in meinem Xing-Profil als Hobby unter anderem Triathlon angegeben und bekam daraufhin eine Mail des Vertriebsleiters des Pulsuhrenherstellers Polar mit einer für mich interessanten Information.) Ich denke, das ist so in etwa der praxisrelevante Kern des Vortrags von Ossi Urchs.

Übrigens: Tech Data selbst ist als Web-2.0- und Social-Network-Pionier bisher noch nicht aufgefallen, wenn auch die Amerikaner sogar im Microbloggingdienst Twitter mitmischen. Kommt vielleicht noch.

Beste Grüße

Damian Sicking

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