Ein Käfig voller Energie

US-Forscher arbeiten an klitzekleinen Containern, die Wasserstoff und andere Brennstoffe besonders effizient speichern sollen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Susanne Donner
Inhaltsverzeichnis

Seit Jahren dreht sich bei Omar Yaghi alles nur um eines: Der Chemiker und seine 25 Mitarbeiter an der Universität Michigan in Ann Arbor bauen Käfige aus Atomen. In der Vergrößerung sind diese Gebilde überwältigend schön anzusehen – in makelloser Regelmäßigkeit reihen sich dreieckige Flächen und Kanten in den Kristallen aneinander. Ästhetik ist jedoch nicht das Hauptmotiv für den Wissenschaftler. Yaghi ist überzeugt, dass die hübschen Konstrukte eines Tages als Gefäß für wertvolle Gase wie Wasserstoff, Methan oder Kohlendioxid dienen können.

Sein Favorit für einen solchen Energiespeicher heißt "MOF-177", ein metallorganischer Käfig (metal organic framework = MOF) aus Zinkoxiden und der organischen Komponente Benzoltribenzoat. Bei einer Temperatur von Minus 196 Grad Celsius und einem Druck von 70 bar nistet sich in seine Hohlräume Wasserstoff ein. Ganze 75 Gramm nimmt ein Kilogramm des Materials auf. Damit hält Yaghi derzeit den Speicherrekord für Wasserstoff in Käfigen. Das Geheimnis seines Erfolges liegt in der Architektur der Gebilde, glaubt Yaghi: "Die festen Zinkoxid-Bausteine verleihen dem Material eine hohe Stabilität. Zugleich bieten die ausladenden organischen Anhängsel in den Flächen und Winkeln sehr vielen Gasteilchen Platz." Ein Gramm des Materials enthält Kanäle von einer Ausdehnung von 5500 Quadratmetern. Das entspricht der Fläche eines Fußballfeldes.

Trotz dieses Rekords taugt selbst MOF-177 längst noch nicht für ein Wasserstoffauto. Wie hoch die Messlatte liegt, erfährt man beim amerikanischen Energieministerium: Das ultimative Wasserstofffahrzeug soll mit einer Tankfüllung 480 Kilometer weit fahren können, heißt es dort. Dafür muss der Speicher samt Tank mindestens sechs Gewichtsprozent des Treibstoffes aufnehmen, und zwar nicht bei drastischen Minusgraden wie in Yaghis Labor, sondern bei moderaten Temperaturen von Minus 30 bis Plus 50 Grad Celsius.

Obwohl die MOF-Forscher noch mehr als 100 Grad von diesem Ziel trennen, gibt sich Yaghi optimistisch: "Wir werden die Anforderungen des Ministeriums auf alle Fälle erfüllen", sagt er. "Wir haben erst eine Hand voll von mehr als 500 Käfigen getestet." Allerdings ist er sich nicht sicher, ob das Ziel schon 2010 erreicht wird. Sein französischer Kollege Gérard Férey vom Lavoisier-Institut in Versailles äußert sich zurückhaltender: "Wir müssen zunächst zu höheren Temperaturen gelangen."

Trotz der bevorstehenden Hürden ist ein Tochterunternehmen der BASF, die BASF Future Business in Ludwigshafen, vor acht Jahren auf die Käfige angesprungen. "Wir verfolgen insgesamt zwanzig Materialien, und jede Woche werden uns neue Substanzen zugesandt", erzählt Ulrich Müller, Projektleiter der MOF-Forschung. In den Firmenlaboren werden die aussichtsreichsten Kandidaten in Mengen von einigen Kilogramm hergestellt, zu Tabletten gepresst und an potenzielle Kunden geliefert. Hersteller von Laptop- und Handy-Akkus testen die Neulinge und messen sie an bestehenden Energiespeichern.

"Die MOFs eignen sich im Grunde vor allem für große Geräte und Fahrzeuge, die viel Kraftstoff brauchen, da sie innerhalb weniger Sekunden be- und entladen werden können. Das wäre zum Beispiel für einen Autotank wichtig", erklärt Müller. Da das Gas in den MOFs lediglich lose eingebettet ist, löst er sich von selbst heraus, sobald ein Ventil am Tank geöffnet wird.

Dennoch scheint die Vision vom Wasserstoffauto in den vergangenen Jahren eher in die Ferne gerückt. "Es sind noch sehr viele Fragen unbeantwortet", heißt es bei BASF. Vielmehr konzentriert man sich neuerdings auf Erdgasfahrzeuge. Diese sind bereits auf dem Markt, und angesichts steigender Erdölpreise rechnet das Unternehmen damit, dass immer mehr Autobesitzer ihren Motor auf Gas umrüsten lassen.

Mit einigen Kilogramm MOFs im Tank könnten die Wagen wesentlich mehr Erdgas aufnehmen, als es heute schon möglich ist. Dadurch würde sich die Fahrtstrecke mit einer Füllung um mindestens 25 Prozent erhöhen. Mit dem bisher besten MOF-Speicher "Basolite 125" aus dem BASF-Labor könnte man bereits 250 Kilometer weit fahren. Vor 2009 rechnet jedoch niemand mit den Käfigen im Autotank, denn vorher müssen die Speicher noch weiterentwickelt werden.