"Erfinderisch entwickeln"

Professor Christoph Meinel leitet das Hasso-Plattner-Institut (HPI) für Softwaresystemtechnik in Potsdam. Im Gespräch mit TR erklärt er, wie man dort aus Spezialisten kreative Generalisten formen will.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Gordon Bolduan
Inhaltsverzeichnis

Seit Oktober existiert am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) die "School of Design Thinking", an der Studenten in der Kunst des kreativen Problemlösens ausgebildet werden sollen. HPI-Direktor Christoph Meinel erklärt das Warum und Wie.

Technology Review: Herr Meinel, "Design Thinking" – was soll das sein?

Christoph Meinel: Wenn man es versucht, zu übersetzen, kommt man auf so etwas wie erfinderisches Entwickeln. Das beschreibt ganz gut, worum es geht, nämlich neue Lösungen auf drängende Fragen zu entwickeln.

TR: Hasso Plattner hat bereits 2005 an der US-Elite-Universität Stanford die Eröffnung des "Hasso-Plattner-Institutes of Design" durch eine Spende von 35 Millionen ermöglicht. Warum entstand eine fast gleiche Schule in Deutschland?

Meinel: Ein wesentliches Motiv des Stifters war, diese Ausbildung auch deutschen Studenten zugänglich zu machen. Wir arbeiten da in sehr engem Schulterschluss und freuen uns, dass wir dieses Programm, was da in Stanford angeboten wird, jetzt auch ab diesem Semester hier in Potsdam-Babelsberg anbieten können.

TR: Wie profitieren Unternehmen von Ihren kreativen Denkern?

Meinel: Die Absolventen sind Spezialisten in ganz unterschiedlichen Fächern, die am Ende ihres Studiums stehen und in einer Zusatzausbildung das Design Thinking ausüben. Bei uns werden sie T-shaped, wie das im angelsächsischen Raum genannt wird: Der senkrechte Strich steht für die fachliche Verwurzelung, der waagerechte für das offene Denken.

TR: Wie stellen sie sicher, dass sie dies auch wirklich lernen?

Meinel: Die 40 Studenten des ersten Jahrganges kommen aus 30 unterschiedlichen Disziplinen, von allen Berliner und Brandenburgern Hochschulen. Sie sind also bunt gemischt und müssen in wechselnden Teams an verschiedenen Problemlösungen arbeiten. Also der Philosoph mit der Germanistin, dem Bauingenieur und dem Informatiker, oder der Architekt mit dem BWL-Studenten.

TR: Bereiten Sie Ihre Stundenten auch darauf vor, dass ihre Kreativität im Unternehmen gar nicht so gefragt ist?

Meinel: Wir haben zunächst erstmal die Absicht, die Kreativität der jungen Leute zu wecken und diese zu entwickeln. Generell glauben wir, dass gerade die hervorragend ausgebildeten und kreativen Leute auch Widerstände, die aus einer gewissen Innovationsunfreundlichkeit herrühren, überwinden können.

TR: Wie hoch ist ihr Etat?

Meinel: Unsere School of Design Thinking ist Teil des Hasso-Plattner-Instituts. Wir schaffen es, das Design-Thinking-Ausbildungsprogramm mit weniger als einer Million Euro durchzuführen.

TR: Wie wählen Sie die Lehrer aus?

Meinel: Nach Eignung und Neigung. Wir haben an den Universitäten der Region sondiert und unsere Netzwerke genutzt – von der Leitung der d.school in Stanford über den Stifter selbst bis hin zu den HPI-Professoren und sind fündig geworden.

TR: Was sind ihre Kriterien für die Lehrer?

Meinel: Zunächst einmal müssen sie genauso interdisziplinär zusammengestellt sein, also aus verschiedenen Fächern kommen, wie die Studenten. Wir fordern Offenheit, Freude an neuen Formen des Lehrens und der Zusammenarbeit mit Studenten. Das traditionelle Vorlesung-Übung-Schema funktioniert hier nicht.

In der die Design-Thinking-Ausbildung charakterisierenden Projektarbeit ist der Lehrende vielmehr Beratender und Mentor. Natürlich haben wir auch die Lehrkräfte auf ihre ungewohnte Lehrtätigkeit vorbereitet und speziell geschult. So mussten die Lehrenden ein Bootcamp durchlaufen, das wir in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Stanford und der vom Leiter der d.school in Stanford gegründeten Design-Firma Ideo durchgeführt haben, bevor die Arbeit mit den Studenten losging.

TR: Wie wurden die Studenten ausgewählt?

Meinel: Nur einen Sommermonat lang waren die ersten Studienplätze ausgeschrieben – adressiert an Berliner und Brandenburger Universitäten. Wir haben beschrieben, warum es vor allem geht: Die Studenten müssen besonderes Interesse haben und bereit sein, hier zwei Tage pro Woche mitzuarbeiten. Ansonsten kann der Erfolg nicht garantiert werden. Wir haben rund 60 Bewerbungen bekommen. Die Auswahl wurde dann nach verschiedenen Kriterien getroffen.

Die Kandidaten sollten auf jeden Fall in der letzten Phase ihres Studiums sein. Wichtig war auch der interdisziplinäre Mix. So mussten wir zum Beispiel aufpassen, dass nicht zu viele der Teilnehmer IT-Spezialisten sind, denn wir brauchen die Mischung. Dann haben wir natürlich nach den Zensuren geschaut und nach den Aktivitäten außerhalb des Studiums. Daraus kann man natürlich viele Rückschlüsse auf eine Person ziehen. Dann haben wir uns für einige entschieden nach der Bewerbungsunterlage, und mit einigen Kandidaten sind Gespräche geführt worden.