Pekings Wettermacher

Militärtechnik und Supercomputer sollen den Chinesen dabei helfen, zur Sommerolympiade die Wolken zu vertreiben.

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Von
  • Mark Williams
Inhaltsverzeichnis

Im August 2008 ist es soweit: Dann beginnen die Sommerspiele in Peking. Das Olympiastadion in der chinesischen Hauptstadt, das die Bevölkerung aufgrund seiner ungewöhnlichen Bauweise längst nur noch Vogelnest nennt, besitzt jedoch einen Nachteil: Die Arena mit ihren 91.000 Sitzplätzen hat kein Dach. Kein Wunder also, dass sich das meteorologische Amt des Riesenreiches Gedanken über ein eventuelles Regenproblem macht. Und, man höre und staune: Das so genannte "Wetterveränderungsbüro" der Regierung arbeitet an einem dreistufigen Plan, der Niederschläge unbedingt vermeiden soll – notfalls mit technischen Methoden.

Zunächst wird die Situation in Stufe eins erst einmal genau beobachtet. Satelliten, Flugzeuge und Radaranlagen speisen ihre Daten in einen IBM-Supercomputer der Modellreihe p575, den die Behörde im letzten Jahr gekauft hat. Die Maschine kann 9,8 TeraFLOPS an Leistung bringen und baut ein 44.000 Quadratkilometer großes Modell der Region auf, das genau genug ist, um stündlich eine Vorhersage für jeden Kilometern zu liefern.

Stufe zwei des Plans sind zwei Flugzeuge und ein Arsenal von 20 Artillerie- und Raketenabschussplätzen rund um Peking, von denen aus die Wetteringenieure Trockeneis oder Silberiodid in sich nähernde Wolken schießen können. Die müssen nur weit genug entfernt sein, damit der Regen ausgewaschen werden kann, bevor die Wolken das Stadion erreichen.

Sollte das nichts helfen, greift Stufe drei: Jede regenreiche Wolke in der Nähe des Vogelnestes wird mit Chemikalien benetzt, die die enthaltenen Tropfen derart verkleinert, dass der Regen erst fällt, wenn sie vorbeigezogen ist. Zhang Qian, Chef des Pekinger Wetterveränderungsbüros, erläutert das so: "Wir verwenden ein Kühlmittel aus flüssigem Stickstoff, um die Anzahl der Tropfen zu erhöhen, ihre durchschnittliche Größe aber zu reduzieren. Im Ergebnis ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie fallen, geringer. Das Regenrisiko sinkt." Da gibt es viel zu tun: Der August gehört eigentlich zur Regenzeit der Region, die Chancen für Feuchtigkeit liegen an jedem Tag des Monats bei bis zu 50 Prozent. Obwohl Tests mit Wolken, die viel Regen trugen, nicht immer erfolgreich waren, sagt Qian, dass man mit geringeren Niederschlagsmengen bereits gute Erfolge gehabt hätte.

Die Veränderung des Wetters wirkt recht anmaßend. Verständlich sind die Ideen aber durchaus, wenn man bedenkt, wie viel die chinesische Regierung bereits investiert hat, um das Land bei der Sommerolympiade als neueste Supermacht des 21. Jahrhunderts zu präsentieren. Da ist Sonnenschein das Mindeste. 40 Milliarden Dollar wurden verbaut, seitdem 2001 klar war, dass die Spiele 2008 an Peking gehen würden. 120.000 Wanderarbeiter gelangten in die Hauptstadt – Durchschnittsverdienst 130 Dollar pro Monat. Die Olympiade wird auch mit der seit fünf Jahren andauernden Stahlknappheit auf der ganzen Erde in Verbindung gebracht. Heute besitzt Peking neben dem gigantischen Vogelnest auch noch Riesenbauten wie ein neues Flughafenterminal, das schon für sich genommen größer ist als jeder andere Verkehrsflughafen der Welt.

Als Beleg für die Riesenhaftigkeit der Umgestaltung der Hauptstadt kann auch gelten, dass heute gut 300 neue Hochhaustürme in Peking stehen, einige davon in den avantgardistischsten Architekturstilen. Die meisten wurden dort gebaut, wo noch vor Kurzem traditionelle chinesische Hofhäuser standen, unterbrochen nur von Plattenbauten aus den Fünfzigern.