Livewire: Wie sich Harleys erstes Elektromotorrad fährt

Ein Elektromotorrad von Harley-Davidson – kann das gut gehen? Erstaunlich gut, wie heise Autos bei einer Proberunde auf dem Hockenheimring feststellen durfte.

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Harley Davidson: Project Livewire

(Bild: Harley)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Harley-Davidson tourt derzeit mit Prototypen ihres "Project Livewire", dem ersten elektrischen Motorrad der Company. Bei ihrem Besuch am Hockenheimring konnten wir auf einer kurzen Runde über die Wirtschaftswege (leider nicht auf der Strecke) erste Eindrücke erfahren. Das Feedback der Tour war insgesamt erstaunlich positiv, was letztendlich daran liegt, dass die Livewire erstaunlich gut geworden ist.

Es gibt derzeit nur zwei Hersteller, die unsere aktuell verfügbare elektrische Antriebstechnik mit ihren technischen, emotionalen und gesellschaftlichen Aspekten verstanden und in ein Motorrad mit einem entsprechend angepassten Einsatzbereich umgesetzt haben. Der eine Hersteller ist KTM mit der elektrischen Enduro Freeride E, die auch Bereiche des Trial-Endurofahrens bedient. Sie hat einen kleinen Akku (2,3 kWh), der schnell getauscht werden kann, und sie wird in Parks oder Rennstrecken eingesetzt, vielleicht auch in Kurzstrecken-Spaßszenarios (sie hat eine Straßenzulassung). Der andere Hersteller ist Harley-Davidson, die sich bei der Livewire daran erinnerten, was eine Harley ausmacht: allein die Präsentation nämlich.

Harley-Davidsons Livewire angetestet (19 Bilder)

Sitzposition: Baumstamm. Wie bei der Moto Guzzi Griso über den Tank gespannt, hier eben über den Akku. (Bild: Harley)

Ein zentraler Punkt im Pflichtenheft jeder Harley daher: Motor zeigen. Auf diese Idee kam bei einem E-Motor vorher noch niemand, aber wenn man das Ergebnis sieht: Warum eigentlich nicht? Der fremderregte Synchronmotor liegt verbrauchsungünstig längs liegend, damit er in diesem herrlichen, verstrebten, zylindrischen Alugehäuse präsentiert werden kann. Verbrauchsungünstig deshalb, weil ein längs liegender Motor eine Umlenkung der Drehachse um 90° auf das Hinterrad nötig macht.

Hierzu verwendet Harley mit Absicht ein gerade verzahntes Kegelradgetriebe, das einen Höllenlärm veranstaltet. Damit der Lärm weit trägt, schwingt das Gehäuse als Resonanzkörper, und damit nichts mit dem Lärm interferiert, bauten die Ingenieure die Untersetzung als leises Zahnriemengetriebe, das auf das zweite Zahnriemengetriebe des Endantriebs wirkt. Denn der weitere zentrale Punkt in diesen Pflichtenheften: Es muss laut sein. Einem altgedienten Harley-Berichterstatter war die Livewire sogar fast schon "zu laut".

Der Prototyp fährt sehr störrisch. Er will in die Ecken gerungen werden, springt über Buckel und zeigt generell, dass er entweder 40 kg mehr Fahrermasse oder 40 kg mehr Akkumasse tragen könnte. Aktuell gibt Harley 85 km Reichweite an, was zusammen mit dem Fahrzeuggewicht von 210 kg auf einen Akku in der Gegend von 7 kWh schließen lässt (Harley macht keine Angaben).

Da schreien jetzt wieder alle, die vergessen, dass dieses Motorrad für Harleys Kundschaft gedacht ist, die hauptsächlich kleine Halbtagesrunden fährt. Zu dieser Kundschaft gehören auch die neuen Motorradfahrer, die mit Bart, Smartphone und teurer Kleidung aus der Lifestyle-Richtung zum Hobby kommen. Zudem kann Harley den Akku bis zu einer eventuellen Serienproduktion in einigen Jahren noch vergrößern. Bis jetzt hat Milwaukee in der Livewire ihr aktuell mit Abstand leichtestes Motorrad hingestellt.

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(axk)