Lebensverlängerung für das Mooresche Gesetz

Die ersten Hybrid-Prozessoren aus Memristoren und Transistoren könnten das Chipdesign revolutionieren.

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Von
  • Kate Greene

Ganze Industrien und Forschungsfelder beschäftigen sich damit, sicherzustellen, dass Computer Jahr für Jahr schneller werden, indem sie die Komponenten in den Chips immer weiter schrumpfen. Doch bei einer Größe von wenigen Atomen ist damit irgendwann in den kommenden Jahren unweigerlich Schluss – das so genannte Mooresche Gesetz nach Chips alle zwei Jahre die doppelte Anzahl Transistoren aufweisen, knallt gegen eine physikalische Begrenzungsmauer. Forscher in der Forschungsabteilung des IT-Konzerns HP in Palo Alto hoffen nun, dass eine neue Grundlagenkomponente für Chips, der Memristor, diesen Aufprall noch für viele Jahre verzögern wird.

Der Memristor wurde erstmals 1971 vom Berkeley-Professor Leon Chua vorgeschlagen. Memristoren sind Komponenten in Nanogröße, die über einige einzigartige Eigenschaften verfügen: Sie besitzen einen variablen Widerstandswert und die Fähigkeit, diesen Widerstandswert zu behalten, auch wenn der Strom ausgeschaltet wird – eine Art Widerstand mit Gedächtnis. Das Teil erwies sich als theoretisch interessant, aber praktisch wurde es nicht gebraucht, und geriet so in Vergessenheit.

Nachdem sie die Arbeit Chuas wiederentdeckt hatten, bauten die HP Labs-Forscher den ersten funktionierenden Memristor im Mai 2008. Im November zeigte das gleiche Team auf dem ersten "Memristor and Memristor Systems"-Symposium nun, wie sich die Technik in bestehende Prozessoren integrieren lässt. Solche Designs benötigen weniger Transistoren und erlauben es so, mehr Bausteine (oder mehr Rechenleistung) auf den bestehenden Platz zu packen – mit insgesamt weniger Energieverbrauch.

"Wir versuchen, dem Mooreschen Gesetz einen Boost zu geben", sagt Stan Williams, Senior Research Fellow bei HP. Mehr Performance bedeutet normalerweise schrumpfende Komponenten, so dass sich mehr davon auf einen Schaltkreis setzen lassen. Stattdessen entfernen Williams und sein Team nun einige Transistoren und ersetzen sie durch eine kleinere Anzahl Memristoren. "Wir versuchen nicht mehr, noch mehr Transistoren auf einen Chip oder in einen bestimmten Schaltkreis zu zwängen", sagt Williams. Hybride Memristor-Transistor-Chips böten auf lange Sicht die Chance, deutlich mehr Leistung bei wenigen Nachteilen zu liefern.

Ein Memristor ähnelt einem Transistor – mit einem entscheidenden Unterschied: Er kann seinen Widerstand ändern, was jeweils von der Menge und Richtung der angelegten Spannung abhängt. Außerdem haben sie wie erwähnt ein "Gedächtnis": Den Widerstandswert, der vor dem Abschalten der Spannung bestand, behalten sie bei. Diese ungewöhnliche Eigenschaft macht die Technik interessant – sowohl aus einer wissenschaftlichen als auch aus einer ingenieurtechnischen Perspektive heraus. Ein einziger Memristor kann die gleichen Logikfunktionen ausüben wie verschiedene Transistoren, was die Technik zu einer viel versprechenden Methode macht, die Rechenleistung zu steigern. Memristoren könnten auch zu schnelleren, kompakteren und energieeffizienteren Alternativen zu Flash-Speichermedien führen.

Obwohl die Memristor-Forschung noch ganz am Anfang steht, arbeiten die HP Laps bereits an einer Handvoll praktischer Anwendungen. "Weil Memristoren aus den gleichen Materialien wie bei normalen integrierten Schaltkreisen bestehen, lassen sie sich erstaunlich einfach mit Transistoren vereinen", sagt der Forscher. Sein Team, dem unter anderem Qiangfei Xia von HP angehört, baute einen FPGA, einen modifizierbaren Logikbaustein, mit einem neuen Design, das aus Memristoren, die aus dem Halbleiter Titandioxid bestehen, erstellt wurde. Dabei fielen deutlich weniger Transistoren an.

Forscher nutzen FPGAs üblicherweise zum Testen von Prototyp-Chipdesigns, weil sie sich umkonfigurieren lassen, um ganz unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Um so flexibel zu sein, sind die Bausteine allerdings verhältnismäßig groß und teuer. Und sobald der Designprozess beendet ist ist, werden FPGAs zumeist durch billigere integrierte Schaltungen ersetzt, die anwendungsspezifisch sind.

"Wenn man sich entschieden hat, welche Logikoperationen durchgeführt werden sollen, muss man dann eine Anzahl von Schaltern und Konfigurations-Bits auf dem Schaltkreis setzen", sagt Williams. Bei dem neuen Chip übernehmen Memristoren diese Aufgabe. "Wir haben hier im Grunde einfach alle Konfigurations-Bits und alle Transistor-Schalter herausgenommen."

Laut Williams könnte die Verwendung von Memristoren in FPGAs deren Kosten deutlich senken. "Wenn unsere Idee funktioniert, wird dieser FPGA-Typ den Status Quo völlig aufheben", hofft er.

Die nächsten Jahre könnten in der Memristor-Forschung sehr bedeutsam werden. Aktuell sei das größte Problem dabei, die Technik auf den Markt zu bringen, dass es nur wenige Experten gebe, die entsprechende Schaltkreise gestalten könnten, sagt Williams. "Trotzdem erwarte ich, dass Memristoren in den nächsten drei Jahren in kommerziellen Produkten auftauchen werden." (bsc)