Leuchtturm 2.0

100 Millionen Euro steckt das Bundeswirtschaftsministerium in das Forschungsprojekt THESEUS, bei dem zusammen mit der Industrie neue Anwendungen für das so genannte "Internet der Dienste" geschaffen werden sollen. Der Presse gab man nun erste Einblicke.

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Es ist das bislang größte Forschungsprojekt, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) jemals angeschoben hat: 100 Millionen Euro nimmt das Referat für die Entwicklung konvergenter Informations- und Kommunikationstechnologien bis August 2012 in die Hand, um neue Anwendungen für das so genannte "Internet der Dienste" entwickeln zu lassen. Weitere 100 Millionen sollen von Industrie- und Forschungspartnern wie SAP, Siemens, Bertelsmann, Fraunhofer-Gesellschaft, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und mehreren Universitäten kommen.

Das THESEUS genannte Vorhaben ging aus dem deutsch-französischen Projekt QUAERO hervor, bei dem insgesamt 400 Millionen Euro in neue Suchtechnologien gesteckt werden sollten. Doch das Mammutprojekt, einst wie nun THESEUS von Seiten der Politik als wichtiges Leuchtturmvorhaben gepriesen, kriselte schnell: Während die französischen Beteiligten keinen Hehl daraus machten, dass ihr Hauptziel in der Entwicklung einer marktreifen europäischen Antwort auf den amerikanischen Suchmaschinenriesen Google lag, wollten die Deutschen lieber an semantischer Basistechnologie schrauben. Ergebnis: Das Vorhaben scheiterte bereits 2006 an Differenzen zwischen den Projektpartnern, man ging getrennte Wege. Deutschland machte allein mit THESEUS weiter, die Franzosen mit QUAERO. THESEUS-Programmbüro-Leiter Thomas Niessen betont allerdings, dass es keineswegs böses Blut gibt: Man tausche sich auch heute noch in regelmäßigen Abständen untereinander aus, telefoniere viel.

In Berlin präsentierte das BMWI nun vor Journalisten die einzelnen THESEUS-Teilanwendungen, die im März auf der CeBIT erstmals vor Publikum gezeigt werden sollen. Insgesamt sechs Bereiche werden abgedeckt: Mit "ALEXANDRIA" plant man eine mit Web-2.0-Elementen angereicherte Wissensdatenbank, "CONTENTUS" soll Bibliotheksbestandteile digitalisieren und semantisch erfassen helfen, "MEDICO" bringt Medizindatenbanken ins Netz, "ORDO" hilft bei der Ordnung digitaler Informationen, "PROCESSUS" soll Unternehmensprozesse und Wissensmanagment vereinfachen und "TEXO" eine Infrastruktur für neue internetbasierte Dienste liefern. Diese so genannten "Use Cases" (Anwendungsszenarien) befinden sich aktuell in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. So konnte "CONTENTUS", an dem unter anderem die Deutsche Nationalbibliothek beteiligt ist, etwa bereits an Live-Daten gezeigt werden, während "PROCESSUS" unter Beteiligung der empolis GmbH, das sich anfänglich auf den Bereich Maschinenbau konzentriert, erst in Form eines Demonstrators vorlag.

Aktuell hat das THESEUS-Konsortium rund 30 Partner. Das wolle man auf den Mittelstand ausdehnen, so Referatsleiter Dr. Andreas Goerdeler. Immerhin 65 entsprechende Anträge lägen vor, die nun bearbeitet würden. Niessen betonte, THESEUS wollte tatsächlich praktische Auswirkungen auf das Internet der Zukunft haben: "Wir planen grundsätzlich Neues." Die Arbeitswelt werde sich in den nächsten fünf Jahren deutlich verändern und verbessern. "THESEUS soll dabei eine wichtige Rolle spielen." Die Projektpartner böten dazu ein "einzigartiges Ökosystem", Endziel sei stets nutzbare Technologie.

Von tatsächlichen Produkten ist man allerdings noch einige Jahre entfernt. Immerhin gibt es bereits erste Ausgründungen: Wolfgang Wahlster, Vorsitzender der Geschäftsführung des DFKI in Saarbrücken, wusste von mehreren Start-ups zu berichten, die nach Arbeit an THESEUS-Komponenten nun als Spinoffs ihr Glück versuchen. So arbeiten vier ehemalige DFKI-Mitarbeiter an der Firma SemVox, die unter anderem Sprachsteuerungssystem fürs Auto entwickelt und unter anderem von der Deutschen Telekom Aufträge bekommt. THESEUS selbst enthält für solche Ausgründungen allerdings keinen eigenen Fördertopf – allerdings hätten die Industriepartner versprochen, Beteiligungen zu prüfen, so Goerdeler.

Durch alle THESEUS-Projekte zieht sich wie ein roter Pfaden die semantische Technologie. Ontologie-Modelle von Wissensräumen müssen erstellt und erschlossen werden, damit Nutzer nicht mehr nur nach Begrifflichkeiten, sondern auch nach Konzepten suchen können. Wie das aussehen kann, zeigt das Bibliothekswerkzeug "CONTENTUS": Sein Prototyp macht gescannte Nachrichtendokumente zugänglich, indem man nicht nur nach Personen, sondern auch nach Orten und Organisationen suchen kann. Wann THESEUS-Technik dann tatsächlich in diesem neuen "Internet der Dienste" erscheint, bleibt abzuwarten. Die Idee einer semantischen Suchmaschine ist dabei noch nicht ganz vom Tisch. So könnte sich "CONTENTUS"-Technik etwa prima für das offene Internet eignen. Als Konkurrenz zu Google sehen sich die THESEUS-Teilnehmer im Gegensatz zu ihren französischen Kollegen allerdings nicht. (bsc)