ICANN öffnet die Tür für Europa-Domain
Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat die Delegation einer Top-Level-Domain ".eu" prinzipiell für möglich erklärt.
Ohne direkten Hinweis auf die Bemühungen der Europäischen Union um die Top Level Domain ".eu" hat die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die Einführung einer solchen Länderdomain für möglich erklärt. Bei einem außerordentlichen Treffen am Dienstag verabschiedeten die Direktoren dazu einen Beschluss, nach dem die zweistelligen Länderdomains auch an Territorien vergeben werden können, die nicht in der mit ISO 3166-1 standardisierten Liste der Länderkürzel stehen. Bislang galt dies als Hürde für eine Eintragung eines speziellen Domain-Namens für Europa. Nun will sich die ICANN mit der Aufführung des Kürzels auf der Liste für reservierte Codes bei der ISO 3166 Maintenance Agency des Deutschen Instituts für Normung (DIN) zufrieden geben.
Seit Jahresbeginn hat sich die Europäische Kommission um eine Anerkennung von .eu als Country Code Top Level Domain (ccTLD) stark gemacht. "ICANNs Präsident Mike Roberts hatte uns bei Gesprächen in der vorvergangenen Woche in Brüssel zugesagt, dass die ICANN sich bis Ende September entscheiden würde. Das hat sie nun getan", sagt Kommissions-Vertreter Gordon Fraser. Da "EU" ein reservierter Code sei und das DIN-Institut einer Nutzung als Domainname nichts entgegenzusetzen habe, stehe der Einrichtung nichts mehr im Weg.
Allerdings ist man mit dem Beschluss nur fast am Ziel. Denn ICANN will überhaupt keine Neu-Delegationen zulassen bevor das vertragliche Verhältnis zwischen ICANN und den ccTLD-Betreibern insgesamt geregelt ist. Noch immer ist das Dreiecksverhältnis Regierungen-Betreiber-ICANN ungeklärt und zu ICANNs Leidwesen auch die Frage offen, welche Beiträge die ccTLDs an ICANN entrichten sollen. Offensichtlich soll mit der Koppelung beider Fragen im jetzigen Beschluss über Europas Regierungen Druck auf die Länderregistries ausgeübt werden. Letztere hatten die Rechnungen von ICANN für überhöht erklärt und nur zum Teil bezahlt.
Bevor die Europäische Kommission die Delegation bei der ICANN beantragen kann, muss sie selbst außerdem noch die Zustimmung von Rat und Parlament dafür einholen. Vermutlich schon in der nächsten Woche will man, so Fraser, einen entsprechenden Vorschlag für Rat und Parlament fertigstellen. Mit einer Entscheidung rechne man vor Weihnachten. Parallel will die Kommission allerdings bereits einen Registry-Provider finden. Sofern es einen breiten Konsens über einen möglichen Provider gebe, könne auf eine Ausschreibung sogar verzichtet werden. "Da es sich um eine Non-Profit-Organisation handeln wird, die quasi als Monopol eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, wäre die erste Wahl eine Organisation, die von allen beteiligten Parteien akzeptiert wird", so Fraser. "Wenn wir eine Ausschreibung machen, wird es wichtig sein, Mechanismen für breite Mitsprachemöglichkeiten innerhalb der Registry-Struktur zu schaffen." Der technische Betrieb könne im übrigen vom Registry-Betreiber weiter vergeben werden.
Siegfried Langenbach, für technische Fragen im Zusammenhang mit der eu-Domain verantwortliches Mitglied einer Arbeitgruppe von Industrievertretern, die die EU-Kommission eingesetzt hat, fürchtet, dass noch eine ganze Reihe von Fragen vor allem hinsichtlich der gewünschten Registrierungspolitik zu klären sind. Ein Treffen Mitte September in Brüssel habe gezeigt, dass es große nationale Unterschiede zur Frage gebe, wie stark der Anspruch auf einen Domainnamen bereits bei der Registrierung geprüft werden müsse. "Die französischen Vertreter votieren für strenge Regeln bei der Vergabe, sozusagen für eine 'saubere' Registry, der Grad der Liberalität ist noch nicht ausdiskutiert." Die Mitgliedsstaaten haben sehr unterschiedliche Regeln innerhalb ihrer nationalen Registries. In Schweden etwa müssen Unternehmen einen Bescheinigung vom Swedish Patent and Registration Office vorlegen, um einen, und nur einen Domainnamen registrieren zu können.
Sollte die EU-Domain tatsächlich im kommenden Jahr realisiert werden, kann ICANN sicher mit Nachahmern von anderen supranationalen Zusammenschlüssen rechnen.
Unterdessen hat die Domain Name Supporting Organization (DNSO) davor gewarnt, im Voraus Domainnamen für neue TLDs anzumelden. Die DNSO ist eine der Organisationen, die innerhalb der ICANN an der Entwicklung von Regeln für die Domainvergabe mitwirken. Es sei voreilig, wenn Firmen schon jetzt eine Vorausregistrierung für "spekulative" TLDs anböten. Es gebe noch keine neuen TLDs und es bestehe "keine Garantie, dass irgendeine bestimmte Organisation autorisiert werden wird, für irgendeine bestimmte TLD Registrierungen anzunehmen". (Monika Ermert)/ (chr)