Landesverratsvorwurf gegen Netzpolitik.org: "Jetzt kommt der Angriff auf uns"

Ein Interview mit dem Gründer des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, über die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts Harald Range wegen Landesverrat gegen ihn und einen Mitstreiter.

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Markus Beckedahl
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Inhaltsverzeichnis

Markus Beckedahl und Andre Meister von Netzpolitik.org haben Post vom Generalbundesanwalt bekommen. Darin offenbart die Strafverfolgungsbehörde den Bloggern, dass sie gegen die beiden sowie gegen Unbekannt Ermittlungen wegen "Verdacht des Landesverrats" nach Paragraph 94 Strafgesetzbuch (StGB) eingeleitet hat. Das Vorgehen des Generalbundesanwalts hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Im Interview mit heise online äußert sich Beckedahl zu dem Vorgehen des Generalbundesanwalts und den Zusammenhängen:

Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Euch schon ihr absolutes Vertrauen ausgesprochen?

Markus Beckedahl: Bisher haben wir nichts gehört, aber wir stellen mal eine Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz.

Die Bundesanwaltschaft ist eine politische Institution. Die Bundesregierung dürfte über die Ermittlungen also voll im Bilde sein?

Markus Beckedahl: Wir gehen davon aus, dass der Präsident vom Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, die Strafanzeigen mindestens mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière abgeklärt hat. Und der Generalbundesanwalt ist Bundesjustizminister Heiko Maas unterstellt. Insofern dürfte die Bundesregierung eingebunden sein.

Wie erklärst Du Dir die höchst unterschiedliche Herangehensweise des Generalbundesanwalts an die Aufklärung der NSA-Affäre und das Verfolgen der Vorwürfe gegen einen deutlich kleineren "Gegner"?

Markus Beckedahl: Wir sehen das als Einschüchterungsversuch gegen unsere Arbeit an. Vergangenes Jahr hatte das Bundeskanzleramt Strafanzeigen angekündigt, auch gegen die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel. Das wurde zurückgezogen. Jetzt kommt der Angriff auf uns. Wir sind das kleinste Medium, der Aufschrei wäre bei den beiden anderen Presseorganen sicher größer. Wir sehen das auch als Einschüchterungsversuch gegenüber potenziellen Quellen an.

Seid Ihr anwaltlich gut vertreten? Was rät Euch Euer Rechtsbeistand?

Markus Beckedahl: Ja, wir haben viele Angebote von Juristen bekommen und sind froh, auch kompetente Menschen in unserer Redaktion zu haben.

Hattet Ihr Euch das Veröffentlichen der Budgetpläne des Staatsschutzes gut überlegt oder stand die ungeschminkte Publikation von vornherein außer Frage?

[i]Markus Beckedahl: Natürlich überlegen wir uns vor jeder Veröffentlichung, ob wir das Risiko eingehen. Wir würden es auch wieder genauso machen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, ob wir zwei Jahre nach Snowden die Massenüberwachung ausbauen wollen – oder den Überwachungsstaat zurückfahren. Die Lehren der Bundesregierung aus Snowden sind Ausbau der Geheimdienste. Das ist ein Skandal.

Wollt Ihr bei der Linie bleiben, möglichst alles im Original zu veröffentlichen, was an mehr oder weniger vertraulichen Papieren reinkommt?

Markus Beckedahl: Klar, wir wollen, dass unsere Leser unsere Arbeit hinterfragen können. Dazu gehören in der Regel Originaldokumente. Außerdem sind wir im Netz sozialisiert, dazu gehören Links auf Quellen.

Was muss sich in punkto Pressefreiheit, Transparenz und dem Schutz von Whistleblowern hierzulande tun?

Markus Beckedahl: Wir brauchen besseren Schutz für Whisteblower. Da gibt es zahlreiche Vorschläge für bessere Gesetze, die unsere Bundesregierung aber nicht will.

Mit der Bekanntgabe des Strafverfahrens seid Ihr quasi "übern Nachmittag" weltberühmt geworden, auf Twitter gehören "Netzpolitik" und "Landesverrat" zu den "Trendthemen", selbst internationale Medien haben bereits berichtet. Lässt sich der Behördenfeldzug und der daraus folgende Streisand-Effekt schon als unfreiwillige PR-Kampagne für das Blog verbuchen?

Markus Beckedahl: Wir finanzieren unsere Arbeit über Spenden und freuen uns über Unterstützung, auch, um beim nächsten Mal größere Server zu haben. Wir bedanken uns daher für die kleine PR-Kampagne und fühlen uns in unserer Arbeit bestätigt. Die Originalartikel, um die es geht, haben seinerzeit leider nicht die gesellschaftliche Debatte ausgelöst, die wir gehofft hatten. Insofern bedanken wir uns auch beim Generalbundesamt und beim Staatsschutz für die Möglichkeit, sie einem größeren Leserkreis bekannt zu machen. (jk)