Comeback-Versuch beim Google-Killer

Im letzten Jahr waren die Medien voll von Berichten über den Suchmaschinenanbieter Cuil, der sich angeschickt hatte, die ganz große Konkurrenz zu überholen. Geklappt hat das nicht. Nun sollen es Web 2.0-Ideen richten.

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Von
  • David Talbot

Man muss es mit einer Analogie aus der Raumfahrt beschreiben: Vor einem Jahr explodierte die Suchmaschine Cuil kurz vor dem Abheben auf der Rampe. In den Medien als "Google-Killer" gehypt, versagte gleich zu Beginn die Technik: Server brachen zusammen und die Suchalgorithmen lieferten teilweise völlig irrelevante Ergebnisse.

Das Start-up aus dem kalifornischen Menlo Park bereitet nun aber ein Comeback vor. Die Idee: Es will zur ersten Suchmaschine werden, deren Ergebnisse durch das soziale Netzwerk der Nutzer gefiltert werden. Neben den regulären Linklisten sollen auch solche angeboten werden, die persönliche Relevanz besitzen. Wenn ein Nutzer dann bei Cuil beispielsweise nach der Band "Green Day" sucht und der Suchmaschine zuvor eine Genehmigung dafür erteilt hat, einen Blick auf seinen Facebook-Account (oder jedes andere bekanntere soziale Netzwerk) zu werfen, erscheint ein zusätzlicher Kasten neben dem Ergebnis. In dem sind dann alljene Mitglieder des persönlichen Netzwerks verzeichnet, die ebenfalls Green Day und ähnliche Bands mögen. Die neue Funktion soll bis Ende August in den Livebetrieb gehen.

"Wir versuchen, Informationen aus den sozialen Netzwerken der Nutzer zu verwenden, um Suchergebnisse zu verbessern", sagt Seval Oz Ozveren, Vizepräsidentin für Finanzen und Geschäftsentwicklung bei Cuil. "Ich glaube, es gab sehr viel Rummel um diese Idee der sozialen Suche, doch niemand hat sie bis heute tatsächlich umgesetzt."

Natürlich lassen viele Betreiber sozialer Netzwerke bereits jetzt ihre Nutzer innerhalb ihres Freundeskreises suchen. Und andere Suchmaschinen versuchen ebenfalls, sich in diesem Bereich zu tummeln: Das Start-up Worio bietet beispielsweise eine Facebook-Anwendung an, die Links ins Web empfiehlt, wie man dies von Google und Co. kennt – nur eben anhand der Analyse der Neuigkeitenströme und anderer Informationen aus dem sozialen Netzwerk des Nutzers. Wenn dann mehrere der Freunde etwa in Miami leben oder davon sprechen, bietet Worio beispielsweise Links rund um die Stadt in Florida an. Cuil plant jedoch noch mehr – die Firma will Suchergebnisse aus den sozialen Netzwerken neben reguläre Ergebnislisten stellen.

Dan Weld, Computerwissenschaftler und Suchmaschinenexperte an der University of Washington, will sich einer Bewertung der Erfolgschancen der Idee erst einmal enthalten – insbesondere das Überholen der Konkurrenz durch den neuen Cuil-Dienst sei völlig unklar. Bekannt sei aber, dass Websites, die von vertrauenswürdigen Mitgliedern des eigenen sozialen Netzwerks besucht werden, als besonders relevant empfunden würden.

"Die Statistik zeigt, dass Nutzer, besonders junge, mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit auf einen Link klicken, wenn sie diese im Blog oder im Twitter-Strom einer Person vorfinden, der sie vertrauen." Das habe ganz klar große Auswirkungen auf Web-Marketingstrategien – und das Verlangen bei Werbern geweckt, jene "Influencer" zu erreichen. Ob dieser Ansatz mit Suchmaschinen zusammenpasse, bleibe aber abzuwarten, meint Weld.

33 Millionen Dollar an Risikokapital hatte Cuil einwerben können – auch wegen seiner Gründer, dem Stanford-Computerwissenschaftler Tom Costello und den beiden Google-Veteranen Anna Patterson und Russell Power. Die Kernbehauptung, mit der anfangs geworben wurde: Cuil durchsucht mehr Seiten im Web als jeder andere Anbieter – drei Mal mehr als Google, beispielsweise. In eine besondere hohe Popularität konnte das Unternehmen diesen technischen Fortschritt jedoch nicht überführen.

Um sich weiter abzusetzen, begann Cuil vor kurzem damit, spezielle Kategorien von Suchergebnissen neben der Hauptergebnisliste zu platzieren. Im März wurde eine "Timeline" eingeführt – ein Kasten auf der rechten Seite, der Suchergebnisse auf einer Zeitachse darstellt. Eine Suche nach der großen Depression führt dann beispielsweise zu einer Auflistung von Ereignissen in den Zwanziger- und Dreißigerjahren – vom Vorgehen des US-Kongresses bis zum Aufkommen der Nazis. Gefunden werden diese Ergebnisse auf Seiten, die Zeitangaben enthalten. (Google hat ebenfalls einen Prototypen eines ähnlichen Werkzeuges parat, das sich anpassen lässt – es beinhaltet zeitlich geordnete Links zu Nachrichten, zu Wikipedia und anderen Quellen.)

Im Juni startete Cuil dann eine so genannte "Mapline" – Suchergebnisse, die auf einer Karte angeordnet sind – und zwar nicht nur bei klar geografisch orientierten Suchanfragen wie "Restaurants in Palo Alto". Bei der Suche nach der großen Depression taucht dann beispielsweise eine Weltkarte mit einzelnen Markierungen auf, die dann etwa zu Angeboten verlinken, die sich über die Landwirtschaftslage während dieser Jahre auslassen oder aufzeigen, wo der Staat damals Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchführte.

Bleibt die Frage, ob all die Verbesserungen dabei helfen werden, Cuil wieder zu beleben. Laut der Web-Marktforschungsfirma Compete hatte das Angebot kurz nach dem Start am 28. Juli 2008 immerhin zwei Millionen Besucher. Bis zum Februar dieses Jahres brach die Statistik auf 130.000 ein und die Wachstumskurve blieb weiterhin flach. Ozveren widerspricht diesen Zahlen jedoch vehement. Stattdessen habe sich der Verkehr auf dem Angebot seit Februar alle sechs Wochen verdoppelt. Genaue Zahlen will sie dennoch nicht liefern.

Grund für die Unterschiede zum Compete-Ergebnis sei, dass sie Firma so genannte "Hover Over"-Aktivitäten nicht messen könne – die Vorschau eines Ergebnisses, ohne das durchgeklickt wird. Doch genau das komme bei Cuil sehr häufig vor. Zudem sei Cuil die erste Suchmaschine gewesen, die die Internet-Protokoll-Adressen der Nutzer (IPs) nicht erfasse. Aus diesem Grund sei es wahrscheinlich, dass sich die Kunden stärker für ihre persönliche Privatsphäre interessierten und deshalb nicht an dem Compete-Erhebungsverfahren teilnähmen.

Die Cuil-Zahlen sind dennoch wesentlich schlechter als das, was man nach dem ganzen Hype im vergangenen Jahr erwartet hätte. Entsprechend wichtig wäre ein Erfolg im Bereich der sozialen Suche. Ende August weiß die Web-Welt mehr. (bsc)