Interview: "Neuer Maut-Plan ist realistischer"

Hat die Lkw-Maut noch eine Chance? Jetzt schon eher, meint ein Experte für Verkehrsprojekte, aber eigentlich ist sie grundsätzlich falsch angelegt.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Sollte sie tatsächlich noch schief gehen, wird sie wohl als eine der peinlichsten Pleiten in die deutsche Wirtschaftsgeschichte eingehen: Die elektronische Erhebung der LKW-Maut durch das Konsortium Toll Collect. Technology Review aktuell sprach mit Hans Wilhelm Alfen, Professor für Betriebswirtschaftslehre im Bauwesen an der Bauhaus-Universität Weimar, über Probleme, Systemfehler und Konsequenzen.

Alfen verfügt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in Planung, Finanzierung, Bau, Unterhaltung und Betrieb von Infrastrukturanlagen insbesondere im Verkehrsbereich. Er war bisher in rund 25 Ländern Europas, Afrikas, Asiens und Lateinamerikas tätig. Bevor er im Juli 2000 an der Bauhaus-Universität begann, war er sieben Jahre lang bei der Hochtief Projektentwicklung GmbH (HTP) als Geschäftsbereichsleiter Projektentwicklung "Infrastruktur" beschäftigt.

Technology Review: Herr Professor Alfen, das Mautkonsortium Toll Collect hat sich überraschend doch noch mit der Bundesregierung geeinigt. Glauben Sie, das für den Zusammenschluss aus DaimlerChrysler und Deutscher Telekom tatsächlich nun realistische Chancen bestehen, die Maut doch noch zu einem Erfolg zu machen?

Alfen: Ich bin zumindest guter Hoffnung, das es klappen kann. Der Fahrplan, den man nun verabschiedet hat, ist wesentlich realistischer, als der vorherige, auch scheint man ja nun auf die Forderungen aus dem Verkehrsministerium nach Haftung eingegangen zu sein. Das zeigt, dass man auch selber daran glaubt, zu den Zusagen stehen zu können. Die wirkliche vertragliche Situation kenne ich natürlich nicht.

Technology Review: Wie gut vorbereitet sind Konsortien Ihrer Erfahrung nach wirklich, wenn Sie solche Aufträge annehmen? Wie viel ist "Show", wie viel Substanz?

Alfen: Wenn die Ausschreibung und die vertragliche Situation professionell vorbereitet und die Unternehmen entsprechend aufgestellt sind, kann und wird sich keiner der Beteiligten eine "Show" leisten wollen. Bei dem Mauterhebungssystem als neuer Technologie gab es natürlich außergewöhnliche Risiken, die man nicht vorhersehen kann. Andererseits werden ähnliche Techniken seit 1994 getestet, beispielsweise auf der Autobahn zwischen Köln und Bonn. Insofern hätte da auf beiden Seiten ausreichend Sensibilität vorhanden sein müssen. Spätestens eine klare, durch entsprechende Sanktionen abgesicherte Risikoverteilung hätte die Wahrheit darüber, was geht und was nicht geht, rechtzeitig an den Tag gebracht. "Show" kann sich dann keiner mehr leisten.

Genau dies scheint aber bei Vertragsschluss nicht gewollt oder zumindest nicht gelungen zu sein. Ich sehe da aber eine "unheilige Allianz" aus Politik und Industrie: Die Politik wollte kurz vor der Wahl noch den Milliardensegen verheißenden Maut-Erfolg verkünden, nachdem Jahre vorher das Wort "Maut" nicht in den Mund genommen werden durfte. Entsprechend leidenschaftslos wurde die Technologieentwicklung seit 1994 vorangetrieben.

Dann entstehen eben Verträge wie diese, die das Papier nicht wert sind, auf denen Sie gedruckt sind. Einerseits kann man solche Verträge natürlich unterschreiben, auch wenn man weiß, dass man die Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Rechtlich gibt es ja keine Handhabe. Andererseits hätte man von professionellen Unternehmen wie Telekom und DaimlerChrysler nicht erwartet, dass sie eine solche "Show" mitspielen. Nun ist der Imageschaden für Politik, Verwaltung und Wirtschaft, ja für den gesamten Technologiestandort Deutschland groß.

Technology Review: Wie hoch ist die Kompetenz in den Fachbehörden wie dem Bundesverkehrsministerium? Können sie derart neuartige Angebote wie die digitale Maut überhaupt realistisch vergeben?

Alfen: Wer sonst soll ein solches Projekt auf den Weg bringen. Natürlich sollte sich ein schlanker Staat nicht mit technischer Detailkompetenz belasten Dazu gibt es externe Berater. Aber die erforderliche Managementkompetenz muss der Staat schon aufbringen. Genau daran fehlt es allerdings. Zu viele vom Staat in den letzten Jahren initiierten Großprojekte sind entweder viel zu teuer geworden oder sind gescheitert. Ich denke nur an den Transrapid oder den immer wieder verschobenen Großflughafen Berlin Schönefeld. Vor dem Hintergrund meiner umfangreichen Auslandserfahrung behaupte ich einmal, dass Länder wie England oder Frankreich diesbezüglich einfach besser sind.

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