Was das Militär aus dem Irak-Krieg lernen könnte

Das politische Fiasko einmal beseite: Auch rein militärisch gesehen lief im Irak-Krieg nicht alles glatt. Eine Analyse

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Richard A. Muller
Inhaltsverzeichnis

Rein militärisch gesehen liefen im zweiten Irak-Krieg viele Dinge falsch - und viele richtig. So gesehen war dieser Krieg so wie jeder andere zuvor. Ein Krieg ist naturgemäß unvorhersehbar und wird zumeist von derjenigen Seite gewonnen, die sich schnell an das Unerwartete anpassen kann. Aus diesem Grund ist das US-Militär bereits jetzt dabei, die Lektionen aus dem Irak-Krieg zu lernen und herauszufinden, was man künftig anders machen sollte. Im letzten Monat hatte ich die Chance, an einer Präsentation durch Militäranalysten zu diesem Thema teilzunehmen. Im Folgenden will ich das Wichtigste daraus zusammenfassen.

Zu viel Material, zu früh eingesetzt: Manchmal scheitert man auch dann, wenn alles richtig läuft. Das gute Training der Soldaten und die eingesetzte Technologie führten zu einem derart schnellen Vormarsch, dass alle überrascht waren - und die Planung überholt wurde. Das Militär rechnete damit, sieben Wochen zu brauchen, bis man Bagdad erreichen würde. Es dauerte aber nur zwei. Dem rapiden Vorstoß folgte ein Vakuum - und das verabscheut die Politik bekanntlich. Diejenigen, die dadurch an die Macht kamen, waren kaum besser als die, die man besiegt hatte.

Dennoch würde niemand empfehlen wollen, dass die USA absichtlich langsamer hätten vorgehen sollen. Die hohe Geschwindigkeit war in mancher Hinsicht nützlich, aber man war darauf eben nicht adäquat vorbereitet. Unerwartete Erfolge bringen einzigartige Probleme mit sich, außerdem verschenkt man so leicht neue Möglichkeiten. Die Armee war nicht darauf vorbereitet, so früh in den Modus einer Friedensmission umzuschalten.

Reality-Video: Vor dem zweiten Irak-Konflikt hielten viele militärische Führungskräfte Videokonferenzen im Krieg für falsch. Sie fürchteten, dass dies zu verfrühten Entscheidungen samt ihrer öffentlichen Verbreitung führen könnte, bevor ein vorsichtiges Abwägen möglich war. Die meisten Verantwortlichen haben dazu inzwischen ihre Haltung geändert. Face-to-Face-Videokonferenzen übertragen Informationen, die sonst in vorsichtig verfassten Memos verloren gegangen wären. Offiziere, die entfernt stationiert sind, erhalten ein besseres Gefühl für den Kriegsschauplatz und die Soldaten können besser verstehen, was ihre Vorgesetzten von ihnen wollen. Bislang führten Videokonferenzen eher zu besseren Entscheidungen als zu verfrühten.

Städte sind Dschungel: Der Irak besteht fast nur aus Wüste, aber das war zumeist irrelevant in diesem Krieg. Fast alle Kämpfe fanden in der Nähe von Städten statt, wo die Sicht schlecht ist und die größten Gefahren Hinterhalte, Scharfschützen oder Sprengfallen sind. Das erinnerte die Soldaten mehr an Vietnam als den ersten Irak-Krieg. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden 70 Prozent aller US-Militäraktionen in Städten durchgeführt - beispielsweise in Mogadischu oder Panama City. Eigentlich müsste die Armee also besser vorbereitet sein. Aber die USA haben bislang kaum passende Trainingsgelände, den Kampf in den Städten zu üben - und die Soldaten tun das zu wenig. Das muss sich ändern.

Krieg in der Stadt neutralisiert auch viele der High-Tech-Vorteile moderner Truppen. GPS-Navigation funktioniert in Gebäuden nicht oder ist in engen Gassen nicht zu gebrauchen. Auch die High-Tech-Kommunikation machte Probleme. Einige der Funkgeräte verwenden das so genannte "Frequency Hopping", also schnelle Änderungen der Funkfrequenz, um nicht abhör- oder ortbar zu sein. Aber diese Technik funktioniert nur, wenn sich das Signal über das gesamte Spektrum gut verteilen kann, was in vielen Städten aber selten der Fall ist. Kein Wunder also, dass sich einige Soldaten (und ihre Offiziere) nach einigen Wochen Städtekampf tatsächlich Walkie-Talkies aus US-Elektroniksupermärkten von ihrer Verwandtschaft haben schicken lassen. Wenn man beschossen wird, ist es wichtiger, schnell jemanden zu Hilfe rufen zu können, als seine Kommunikation zu verschlüsseln. Diese Lehre erinnert an den ersten Golfkrieg, in dem die Familien ihren Soldaten billige GPS-Empfänger schickten.