Wie das Wissen in das Internet kommt

Googles neuer Scholar-Dienst bedient ein lange bestehendes Bedürfnis - und könnte den teuren wissenschaftlichen Fachzeitschriften gefährlich werden.

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Von
  • Deborah Asbrand
Inhaltsverzeichnis

Als Google Mitte November seine neue Wissenschaftssuche namens Google Scholar startete, war das wie ein kleines Erdbeben in der Welt der Wissenschaftsverlage.

Der Dienst erinnert mit seiner sparsamen Optik an das reguläre Angebot der Suchmaschine. Doch statt nach Web-Inhalten zu suchen, gräbt sich die neue Technologie durch Spezialliteratur wie wissenschaftliche Fachzeitschriften, Diplom- und Doktorarbeiten, Abstracts oder wissenschaftliche Berichte. Ziel dabei ist eine möglichst umfängliche Sammlung an Forschungsmaterial, das entweder im Volltext oder, bei Journals mit kostenpflichtigen Abos, als Abstract angezeigt wird.

Die Materialfülle, die Google Scholar erschließt, unterstreicht, mit welchen Beschränkungen das heutige wissenschaftliche Publizieren leben muss.

Ein Beispiel: Um einen Artikel aus dem "Journal of Inorganic Biochemistry" zu lesen, muss man sich in eine Bibliothek bemühen, die ein Abonnement dieser Zeitschrift besitzt. Wer in Harvard studiert oder arbeitet, hat dabei kein Glück: Die Universität bezieht das Journal seit Januar nicht mehr, weil sie sparen musste. Auch an der Cornell University ist es nicht mehr zu finden - bei einem Preis von 2178 Dollar im Jahr eigentlich kein Wunder. Beim Giganten unter den Wissenschaftsverlagen, Elsevier, sieht es schon besser aus: Die Firma verkauft Interessierten den gewünschten fünfseitigen Artikel - für saftige 30 Dollar.

Genau hier liegt der Hund begraben: Das Internet und neue Suchtechnologien unterminieren die Argumentation der Wissenschaftsverlage, dass ihre hohen Preise nur den teuren Veröffentlichungsprozess reflektieren.

Derzeit wird der sieben Milliarden Dollar umfassende Markt der wissenschaftlichen, technischen und medizinischen Spezialzeitschriften von Reed Elsevier dominiert. Dem niederländischen Unternehmen gehören laut Morgan Stanley derzeit insgesamt 1800 Titel. Der Wissenschaftsverlag des Konzerns, Elsevier, liegt im Dauerclinch mit seinen Kunden. Universitätsbibliothekare, die unter Sparzwang leiden, ärgern sich über Abo-Preise, die zwischen 500 und 20.000 Dollar im Jahr liegen.

Seit Jahren schon werden diese Preise kontrovers diskutiert, schränken sie die Verfügbarkeit dieser Informationen doch stark ein. Im vergangenen Jahr rebellierten erste US-Universitäten und kündigten Dutzende von Titeln. Der Bibliotheksverband Association of Research Libraries berichtet, dass seine Mitglieder in den letzten 15 Jahren 227 Prozent mehr für wissenschaftliche Zeitschriften ausgeben mussten, obwohl die Gesamtzahl an verfügbaren Titeln sank.

Schon werden Stimmen laut, die befürchten, dass diese Einschränkungen die Forschung behindern könnten. "Richtig ernst wird es, wenn Doktoranden für sie relevante Artikel beziehen möchten, dann aber merken, dass ihre Universität die Zeitschrift nicht mehr zur Verfügung stellt", sagt Peter Suber vom Institut Public Knowledge in Washington, wo er den Bereich "Open Access" leitet.

"Open Access", der offene Zugang zu Forschungsinformationen, wird inzwischen von immer mehr Gruppen im Bereich wissenschaftlicher Publikationen gefordert. Sie sehen Google Scholar als ersten wichtigen Schritt, dies zu erreichen. Das Internet, glauben sie, könnte darüber hinaus kostspielige Abonnements komplett unnötig machen.