"Landesverrat": Affäre um Netzpolitik.org-Ermittlung nach Range-Entlassung nicht zu Ende

Die Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen ist nach der Entlassung des Generalbundesanwalts nicht überstanden. Und ein offener Brief von Journalisten, Sicherheitsexperten und Netzaktivisten fordert die Einstellung des "Angriffs auf die Pressefreiheit.

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Reichstagsgebäude in Berlin

Nichts ist beendet

(Bild: Foto: Andreas Levers, CC BY 2.0; Logo: Netzpolitik.org)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri
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Nach der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range werden Forderungen nach weiteren Konsequenzen laut. Die Grünen verlangten eine sofortige Aufklärung der Vorgänge in der Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org.

Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte Range am Dienstagabend in den Ruhestand versetzt. Das Vertrauen sei "nachhaltig gestört" worden, sagte Maas. Als Nachfolger schlug er den Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank vor. Range hatte Maas am Dienstagmorgen politische Einflussnahme auf die Justiz im Zuge der Ermittlungen gegen Netzpolitik.org vorgeworfen.

"Die schnellste Möglichkeit dafür ist eine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Ich erwarte von Union und SPD, dass sie sich dieser Aufklärung nicht verweigern", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Passauer Neuen Presse. "Die Minister Maas und de Maizière kommen mit Range als Bauernopfer nicht davon. Sie müssen jetzt umgehend erklären, wer welche Rolle bei dem Angriff auf die Pressefreiheit hat", erklärte sie.

Renate Künast von den Grünen, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, meinte im rbb-Inforadio, es müsse geklärt werden, weshalb weder das Justiz- noch das Innenministerium eingeschritten seien, als die Strafanzeige des Verfassungsschutzes gegen Netzpolitik.org vorlag. "De Maizière hat Maaßen einfach machen lassen mit der Anzeige, und dann nahm das Unglück seinen Lauf. Kein Bewusstsein bei de Maizière, die Pressefreiheit zu schützen."

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki unterstellte Maas, seinem Amt nicht gewachsen zu sein. "Die Entlassung des Generalbundesanwalts wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens ist in der bundesdeutschen Geschichte einmalig", sagte er laut dpa. "Der Bundesjustizminister irrt, wenn er glaubt, hierdurch von seinem eigenen eklatanten Versagen ablenken zu können." Mass selbst hätte das Ermittlungsverfahren im Einvernehmen mit dem Generalbundesanwalt beenden können, sagte er.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl geht davon aus, dass das Justizministerium vom Generalbundesanwalt in den vergangenen drei Monaten in die Vorbereitungshandlungen für mögliche Ermittlungen eingebunden gewesen sei. "In dieser Zeit hat der Justizminister offenbar keinen Gebrauch von seiner Weisungsbefugnis gegenüber Range gemacht", sagte Uhl dem Handelsblatt. Die plötzliche Entlassung sei merkwürdig. "Ich halte das für überzogen und deswegen auch für falsch", fügte er hinzu.

Mittlerweile ist außerdem ein Offener Brief erschienen, der die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert und ihre sofortige Einstellung fordert. Unterschrieben ist er von einigen Journalisten, Sicherheitsexperten und Netzaktivisten, darunter die Schriftstellerin Juli Zeh, Sicherheitsexperte Bruce Schneier, Mario Sixtus vom Elektronischen Reporter, Matthias Spielkamp von irights.info, Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegener und Fernsehmoderator Jan Böhmermann, John Young von cryptome.org, Wikileaks-Gründer Julian Assange. Initiiert hat den Offenen Brief der Investigativ-Journalist und Netzaktivist Jacob Appelbaum.

In der deutschen Fassung heißt es: "Die Ermittlungen gegen die Redaktion Netzpolitik.org und ihrer unbekannten Quellen wegen Landesverrats sind ein Angriff auf die Pressefreiheit. Klagen wegen Landesverrats gegen Journalisten, die lediglich ihrer für die Demokratie unverzichtbaren Arbeit nachgehen, stellen eine Verletzung von Artikel 5 Grundgesetz dar. Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungen gegen die Redakteure von Netzpolitik.org und ihrer Quellen."

Disclaimer: Der Autor der Meldung ist ebenfalls Erst-Unterzeichner des Offenen Briefs, der das Vorgehen gegen Netzpolitik.org als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert. (jk)