“... das ist in der Informatik eine ziemlich lange Zeit”

Technology Review aktuell im Interview mit dem Vorsitzenden der GI Professor Matthias Jarke.

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Technology Review aktuell im Interview mit Professor Matthias Jarke. Der Ökonom und Informatiker Jarke ist seit 2003 Gründungsdirektor des Bonn-Aachen International Center for Information Technology in Bonn und Professor an der RWTH in Aachen. Seit 2004 ist Jarke außerdem Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI), die mittlerweile rund 24.000 Mitglieder in 13 Fachbereichen organisiert.

TR: Sie haben hier viel über kritische Infrastruktur gesprochen. Eine der kritischen Voraussetzungen für Forschung ist die Finanzierung und genau die ist im Moment durch die politische Situation ein wenig schwierig zu bekommen. Können Sie das Problem erläutern?

Jarke: Im Grunde genommen ist das ganz einfach. Ich nehme mal als Beispiel das Bundesforschungsministerium, aber es gibt ähnliche Vorfälle im Bundesarbeitsministerium oder im Gesundheitsministerium und so weiter. Die haben ja Förderpläne entwickelt, haben in diesem Rahmen Ausschreibungen durchgeführt und haben zum Teil auch schon Begutachtungen für die entsprechenden Anträge durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Begutachtungen werden Projekte ausgewählt und dann gibt es normalerweise einen gestuften Implementierungsplan. Dass heißt dann, dass ein Teil der Projekte, weil sie dringlicher sind, sofort gestartet werden. Und es gibt andere Projekte, die dann erst drei Monate später gestartet werden. Das macht normalerweise auch keinen großen Unterschied, weil ja oftmals die Projektträger aus bürokratischen Gründen auch gar nicht so viele Anträge auf einmal bearbeiten können.

Durch die vorgezogene Bundestagswahl ist aber dieser Abstand von drei Monaten plötzlich kritisch geworden, weil ein Teil der Mittel noch aus dem Bundeshaushalt 2005 genehmigt worden ist, und ein Teil der Mittel aus dem Haushalt für 2006. Da gab's einen Plan und ein Budget -- bis jetzt alles kein Problem. Durch die Bundestagswahl wird sich nun aber — wenn man auf vergangene Wahlen zurückblickt und vielleicht auch noch die besonderen Schwierigkeiten durch das Wahlergebnis berücksichtigt - die Verabschiedung des Haushaltes 2006 vielleicht bis zum nächsten Juni hinziehen. Dass heißt, dass die erste Gruppe von Projekten in ein paar Tagen plangemäß am 1. 10. startet und die zweite Gruppe wenn alles gut geht ein Jahr später — statt drei Monate später. Und das ist in der Informatik eine ziemlich lange Zeit.

Das besonders Unglückliche ist nun auch, dass es einige besonders wichtige und große Projekte ganz heftig betrifft, wie zum Beispiel die Software-Initiative mit einem Fördervolumen von etwa 45 Millionen Euro. Wir sind deshalb zusammen mit dem Präsidenten des BITKOM-Verbandes auch an die Bundesregierung herangetreten. Die haben auch versprochen, dass sie für dieses spezielle Programm alles möglich zu tun beabsichtigen, es ist aber eine Tatsache, dass sie möglicherweise in sehr kurzer Zeit nichts mehr zu sagen haben.

Es hat schon bei der Wahl 2002 ähnliche Verzögerungen gegeben, aber die waren wenigstens absehbar. Das gilt nun überhaupt nicht. Aber es kann doch einfach nicht angehen, dass durch solche Situationen Forschung und Innovation in diesem Land für ein halbes oder gar ein ganzes Jahr praktisch zum Stillstand kommen.