Das Netzwerk der nächsten Generation

Doug Van Houweling, Chef des Forschungsnetzes Internet2, erinnert das heutige Internet eher an eine Schneckenpost. Doch das soll sich bald ändern.

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Inhaltsverzeichnis

Was würde man bekommen, wenn man genügend Geld hätte, sich die bestmögliche Internet-Technik zu kaufen? Das Forschungsnetz Internet2 liefert eine Antwort auf diese Frage: Seine High-Performance- Architektur schließt 240 Forschungs- und Universitätseinrichtungen in den USA zusammen. Die Internet2-Verbindungen sind schnell genug, um gigantische Datenmengen zu übertragen – beispielsweise aus physikalischen Experimenten oder von Observatorien.

Der normale Internet-Benutzer kann das Internet2-Netwerk derzeit noch nicht verwenden. Doch seine Technologie zeigt, was in einer idealen Internet-Welt alles möglich wäre: Von Live-HDTV bis hin zu enorm komplexen 3D-Online-Spielen. Die US-Ausgabe der Technology Review unterhielt sich mit Douglas Van Houweling, CEO des Forschungsnetztes Internet2, ob und wann dessen High-Performance-Technologien auch ins reguläre Internet kommen.

Technology Review: Was bringt die Internet2-Technik der Wissenschaftsgemeinschaft?

Doug Van Houweling: Forscher aus aller Welt nutzen das Internet2-Netz zur Zusammenarbeit etwa bei Experimenten aus der Hochenergie-Physik, bei der medizinischen Diagnose sowie zur Bereitstellung großer Datenmengen, die in Supercomputern zur Verfügung stehen. Mehr als 200 US-Universitäten sind führend im Internet2 vertreten; sie arbeiten mit Industrie und Regierung zusammen, um fortschrittliche Netzwerk- Anwendungen und Technologien zu entwickeln, die in Forschung und Lehre eingesetzt werden sollen.

240 Institutionen, 34 Bildungsnetzwerke in US-Bundesstaaten und 70 internationale Netzwerke hängen bereits am Internet2, um neue Netzwerktechnologien zu untersuchen und revolutionäre Internet- Anwendungen zu entwickeln. Außerdem nehmen fast 70 Firmen aus zahlreichen Industriebereichen teil, die aktiv am Internet2 mitarbeiten. Diese Firmen spielen eine zentrale Rolle dabei, die neuen Technologien zu verstehen und fortzuentwickeln. Sie werden später auch dafür sorgen, dass Internet2-Entwicklungen in die Hand Hunderter Millionen von Internet-Nutzern in aller Welt kommen.

Was ist das Hauptproblem beim heutigen Internet?

Van Houweling: Die aktuelle Internet-Technologie stößt bereits an Grenzen, die ein weiteres ökonomisches Wachstum verhindern könnten. Die Verbreitung geschlossener Architekturen, die Tendenz bei Unternehmen, eher ihre eigenen Interessen zu schützen als in offene Standards zu investieren, immer größere Sicherheitsgefahren in verschiedenen Bereichen und diverse Skalierungsprobleme führen dazu, dass das Netz nicht vorankommt.

Was würde der normale Endnutzer von einem Internet der nächsten Generation erwarten?

Van Houweling: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Ottonormalverbraucher die gleichen Kapazitätsanforderungen an das Netzwerk stellen, die die Forschungs- und Bildungs-Community heute hat. Telekom-Firmen sprechen bereits seit Jahren davon, Glasfaser direkt bis in die Häuser zu verlegen, damit den Kunden anspruchsvolle digitale Inhalte geliefert werden können. Wollten wir heute Videos in HDTV-Technik oder Surround-Sound in hoher Qualität über das Internet übertragen, würde das aktuelle Netz zusammenbrechen. Das alte "If You Build it, They Will Come"-Konzept funktioniert unter den heutigen Bedingungen nicht – einfach nur Glasfaser zu verlegen, würde nicht ausreichen.

Was soll in Zukunft möglich sein?

Van Houweling: Ich glaube, dass das Netzwerk der Zukunft ganz neue Anwendungen ermöglichen wird – kollaborative Ansätze, die allumfassend sein werden, verteilte Ressourcen, rechenintensive Simulationen in Echtzeit, HDTV-Video "on demand" und viele weitere Funktionen, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. Diese neuen Anwendungen werden enorme Veränderungen für uns bringen – wie wir arbeiten, wie wir lernen, wie wir uns unterhalten, wie wir regiert werden und wie wir leben. Drei zentrale Dinge müssen zuvor allerdings noch erreicht werden: Wir brauchen optische Netze, bessere Authentifizierungsverfahren und eine verlässliche Punkt-zu- Punkt-Performance im Netzwerk.

Wie lässt sich das grundlegende Problem der Bandbreite lösen?

Van Houweling: Die Internet2-Community nutzt einen innovativen und ambitionierten Ansatz, um die Skalierungsproblematik zu lösen. Wir nutzen ein Hybrid-Modell aus der aktuellen IP-basierten Technologie in Verbindung mit optischen Schaltwegen, die an das traditionelle Telefonsystem erinnern. So wird es möglich sein, Endkunden wie Unternehmen die gewünschte Bandbreite zu liefern – auf jede erdenkliche Art. Diese On-Demand-Möglichkeiten dürften ganze Industrien verändern – von der Medizin über das Gesundheitswesen bis hin zu Kunst und Unterhaltung (und noch viel mehr).