Megabytes an Software im Fernseher

Theo Claasen, Executive Vice President und zuständig für Strategie sowie Geschäftsentwicklung bei Philips Semiconductors im TR-Interview.

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Inhaltsverzeichnis

Der Elektronik-Ingenieur Theo Claasen arbeitet seit 1971 für den niederländischen Philips-Konzern. Nach verschiedenen leitenden Posten in den Philips Forschungslaboren in Eindhoven übernahm Claasen 1997 in der Halbleitersparte den Posten des CTO und ist jetzt executive vice president and manager of strategy and business development für Philips Semiconductors.

TR: Philips Semiconductors wird noch in diesem Jahr als eigenständige Firma aus dem Konzern ausgegliedert. Was wird sich dadurch ändern?

Theo Claasen: Sie haben die Ankündigung unseres Aufsichtsrates sicherlich gelesen. Er hat angekündigt, dass Philips sich darauf vorbereitet, aus der Halbleitersparte eine juristisch unabhängige Einheit zu machen, die zu hundert Prozent im Besitz von Philips ist. Insofern ändert sich nicht viel. Der zweite Teil der Ankündigung besagte, dass dies geschieht, um Philips Semiconductors die Möglichkeit zu geben, strategische Optionen zu ergreifen, und das alle Optionen offen wären. Zu diesem Zeitpunkt kann ich jedoch keine weiteren Kommentare zu diesem Prozess abgeben.

TR: Sie haben strategische Optionen erwähnt. Möglicherweise können Sie zumindest in Bezug auf Technologie über solche strategischen Optionen sprechen. Wo sehen Sie die spezifischen Chancen von Philips Semiconducturs?

Theo Claasen: Sicherlich. Die Halbleiterindustrie war in den 60er-Jahren stark getrieben von militärischen und später auch industriellen Entwicklungen. Der Markt ist dann mit dem Erscheinen des PC sehr schnell gewachsen. In den 90er-Jahren haben die Mobiltelfone den Markt stark stimuliert und zu weiterem Wachstum angeregt. Wir, wie auch viele Analysten, sehen die nächste Welle ausgelöst durch digitale Unterhaltungselektronik – inklusive mobiler Geräte und dem digitalen TV. Und das sind auch genau die Dinge, auf die wir unseren strategischen Fokus legen. Dies spiegelt sich wider in unserer neuen Organisationsstruktur.

TR: Philips ist sehr bekannt für Unterhaltungselektronik, aber Sie haben offensichtlich nie mit dem Gedanken gespielt, sich in das PC-Geschäft einzumischen. Warum nicht?

Theo Claasen: Wenn Sie mit der Struktur der Computer-Industrie vertraut sind, dann wissen Sie, dass diese Industrie von Intel dominiert ist. Dann gibt es noch AMD, dann kommt lange nichts, und es gibt immer noch ein wenig Geschäft mit der Power-PC-Architektur. Wir möchten nicht anfangen, mit diesen Firmen zu konkurrieren.

Wir sehen dagegen, dass wir eine sehr gute Position im Bereich der Unterhaltungselektronik haben. Wir waren die Könige der analogen Fernsehgeräte. Und wir versuchen jetzt, bei der digitalen Unterhaltungselektronik denselben Weg zu gehen. Der gesamte Bereich gewinnt zunehmend an Fahrt. Mehr denn je sehen wir, dass Musik nicht mehr auf der Basis von CDs vertrieben wird – sondern auf der von portablen Musikspielern. Wir hoffen also, dass wir unsere Erfahrung auf diesem Gebiet nutzen können, um in eine führende Position zu kommen.

TR: Halbleitertechnik ist ein Bereich, der sich sehr dynamisch entwickelt und hohe Investitionen erfordert. Was sehen Sie in diesem Bereich als vordringlich an?

Theo Claasen: Was die digitale Elektronik angeht, so sind wir etwa bis 2000/2001 im Wesentlichen der Entwicklung der CMOS-Technologie gefolgt. Dann haben wir eine Allianz mit STMicroelectronics geschlossen, in Colles, zu der nun auch die Halbleitersparte von Motorola und jetzt Freescale Semiconductor stoßen. Diese Allianz war außerordentlich erfolgreich. Wir haben einen 90-Nanometer-Prozess entwickelt, mit dem nun die meisten unserer digitalen Produkte hergestellt werden. Wir werden schon bald einen 65-Nanometer-Prozess vorstellen und arbeiten bereits an einem 45-Nanometer-Node. Das ist natürlich sehr kostspielig, aber in dieser Allianz können wir unsere Kosten auf ein Drittel dessen reduzieren, was wir zahlen müssten, wenn wir allein arbeiten würden.

Zusätzlich arbeiten wir natürlich an der konkreten Produktentwicklung. Dort haben wir immer mehr mit Systemarchitektur und Software-Entwicklung zu tun. In der Vergangenheit waren Unternehmen wie das unsere Hersteller von Komponenten, die andere Unternehmen gekauft haben, um daraus beispielsweise Telefone herzustellen. Das hat sich geändert. Heutzutage erwarten mehr und mehr Kunden von uns ein komplettes Referenz-Desing.

Wir haben beispielsweise ein Referenz-Design für LCD-Fernseher: Der Kunde muss aus unserer Platine eine industrielle Version machen und bekommt von uns eine Liste von Komponenten, die wir getestet haben und für geeignet halten. Außerdem liefern wir Software, die der Kunde sich nach eigenen Wünschen modifizieren kann – beispielsweise für das User Interface. Diese Art von Entwicklung kommt zunehmend auf uns zu. Weil diese Entwicklungsarbeit aber bereits sehr nah am Kunden dran ist, können wir sie natürlich nicht mit anderen teilen.

TR: Sie haben von der Entwicklung des 45-Nanometer-Prozesses gesprochen. Bis zu welcher Strukturgröße kann man ihrer Meinung nach mit konventioneller Litografie kommen?